25.01.16

Der schmale Pfad durchs Hinterland - Richard Flanagan



Dorrigo Evans' großes Laster sind die Frauen. Er kann nicht mit ihnen, er kann nicht ohne sie. Er hat nicht das Gefühl, sich an nur eine binden zu können. Bis eben jene eine kommt, auf die er wie ein Magnet reagiert. Angezogen wie auch abgestoßen von ihrer Schönheit, ihrer Art zu sein, mit ihm zu spielen, zu schlafen, zu lieben.

Die Gefühle eines Mannes stimmten nicht immer mit dem Leben überein. Manchmal stimmen sie mit gar nichts überein.“

Überwältigt von Gefühlen, die ihm bisher unbekannt waren, weiß er nicht recht damit umzugehen. Statt für sie in den Kampf zu ziehen, rettet er sich in den Kampf um sein Land. Der zweite Weltkrieg ist für ihn die Möglichkeit zur Flucht, nicht wissend, wie sehr er dies einmal bereuen wird. Denn was er dort erlebt – insbesondere als er in japanische Gefangenschaft gerät – hat er in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt.

Der Krieg drängte, der Krieg verstörte, der Krieg löste auf und entschuldigte.“

Dorrigo Evans ist ein Mensch, der sich viel mit sich selbst beschäftigt hat. Der sein Leben lang versucht hat nach Außen ein gewisses Bild zu verkörpern. Schon vor dem Krieg, als er noch Angst vor der Liebe hatte, und auch nach dem Krieg, als ihm die dort erlebten Gräueltaten zu der Erkenntnis kommen lassen, dass nur die wahre Liebe die einzige Rettung von Geist und Körper sein kann.



„Der schmale Pfad durchs Hinterland“ ist ein Wechselbad der Gefühle. Für Protagonisten, wie für Leser. Der Einstieg ist mir etwas schwer gefallen, denn Flangan erzählt auf verschiedenen Ebenen, wechselt währenddessen häufig die Zeit, zeigt einen Dorrigo Evans, den ich erst sehr viel später, als ich erfahren habe, was er alles durchlebt hat, verstehen kann.

Es war, als lebe der Mensch allein, um Gewalt auszuüben und damit die Ewigkeit der Herrschaft zu sichern. Die Welt würde sich nicht verändern, die Gewalt war immer schon da gewesen und würde sich niemals auslöschen lassen, Männer würden sterben durch die Fäuste und Gräueltaten anderer Männer, bis ans Ende der Zeit und die gesamte Geschichte der Menschheit war eine Geschichte der Gewalt.“

Das Leben spielt ungerecht, ist geprägt von Ironie und einer Härte, die nur schwer nachzuvollziehen ist. Im Krieg stehen diese Regeln erst recht Kopf. Das unterste wird zuoberst gekehrt. Wer weiß denn noch, wer er wirklich ist? Dies ist einer von Flanagans roten Fäden, die er an manchen Stellen so fest zuzieht, dass es mir die Kehle zuschnürt. Er hat kein Mitleid mit seinen Charakteren. Lässt sie Dinge erleben, die mir als Beobachter den Druck auf den Magen verstärken. Die Frage - wer Opfer ist, wer Täter - verschwimmt. Denn letztendlich sind im Krieg alle Opfer. Auch wenn es sich um fiktive Figuren handelt, sind ihre Kriegserlebnisse in Gefangenschaft leider nur zu real. Verdrängung ist vermutlich die einzige Chance danach weiter leben zu können.

Oder eben die Liebe.

Und er dachte: Wie leer die Welt ist, wenn man seine Liebe verliert.“

Sehr eindringlich kreisen Flanagans Worte um Krieg und Liebe. Sorgen dafür, dass ich den Roman verschlinge, an einigen Stellen aber so bedrückt bin, dass ich ihn gern zur Seite legen würde, weil ich selbst kaum aushalten kann, was die Männer in japanischer Kriegsgefangenschaft durchmachen müssen. Nicht jeder von ihnen zerbricht daran. Liebe, Hoffnung, Glaube an Wunder, Erinnerungen an schöne Dinge halten sie aufrecht. Freiheit entsteht im Geiste. Und genau dort nehme ich „Der schmale Pfad durchs Hinterland“ in seiner vollen Intensität auf. Froh darüber diesen beeindruckenden Roman, von dem mir mehr Gutes, als seine drückende Stimmung im Gedächtnis bleiben wird, für mich entdeckt zu haben.


Buchinfo:


PIPER (September 2015)
448 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
24,00 €
Übersetzung: Eva Bonné

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