29.04.17

Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden - Emily Barr



Flora Banks Leben ist wie ein tausendteiliges Puzzle in allen Farben des Regenbogens. Jeden Tag muss sie es erneut zusammensetzen. Sie muss sich daran erinnern, wer sie ist und was los ist. Manchmal stündlich. Nichts, was seit ihrem 10. Geburtstag passiert ist, bleibt ihr im Gedächtnis. Doch auf einmal ist da diese eine Erinnerung in ihrem Kopf. Und sie bleibt, verschwindet nicht wie die anderen Details aus ihrem Leben. Es ist die Erinnerung daran, wie sie nachts am Strand einen Jungen geküsst hat. Bewaffnet mit Handy, Briefen von ihrem Bruder aus Paris, einem prallgefüllten Notizbuch und tausenden von Zettelchen macht sich Flora Banks auf eine Reise, die sie letztendlich zu sich selbst führt. Denn zum ersten Mal in ihrem Leben kann sie jetzt entscheiden, wer sie wirklich sein will. (Text & Cover: FischerVerlage, Foto: N. Eppner)

Der Schein trügt. "Jeder Tag kann der schönste in deinem Leben werden" ist nicht so rosarot wie der Schutzumschlag es vermuten lässt. Es ist tiefgründig, ernst und birgt eine Version von Hoffnung, die in einer harten Realität angesiedelt ist.

Das hättest du nicht vermutet, was? Ich auch nicht, aber ich freu mich, dass ich überrascht wurde und so einen Roman geliefert bekommen habe, der mich in Staunen versetzt hat.

Erwachsen werden allein ist schon turbulent genug. Erwachsen werden und an einer androgenen Amnesie leiden, macht es zu einer echten Herausforderung. Nicht nur für Flora, sondern auch für ihre Eltern, ihr Umfeld, ihre Freunde. 

Alles muss sie sich aufschreiben, denn immer wieder tritt dieser Moment ein, in dem Erinnerungen aus ihrem Gedächtnis verschwinden. Das können unwichtige Dinge sein wie das letzte Mittagessen, aber auch so elementare Informationen wie ihr aktuelles Alter. Alles, was vor ihrem 10. Geburtstag war ist fest verankert, alles was seitdem passiert ist an so einem dünnen Faden verknüpft, dass ein Abriss desselbigen ganz schnell geschehen kann.

"Ich schaue auf meine Hand. Flora steht dort, und das bin ich. Diese Zeichen auf meiner Hand stehen für meinen Namen. Daran klammere ich mich. Ich bin Flora. Unter diesem Wort steht: Sei mutig!"(S. 17)

Dann ist Flora orientierungslos, ist auf die Hilfe ihrer Mitmenschen angewiesen. Sie fällt in ein Loch, bewegt sich in einer Schwärze, die sich nicht auslöschen lässt. Ihre Eltern behüten und beschützen sie. Sorgen sich um sie, als sei sie noch das kleine Mädchen von damals. Erst eine schwere Erkrankung des Bruders, der in Paris lebt, bringt sie dazu Flora etwas Eigenständigkeit zuzugestehen.

Die nutzt sie auch direkt aus, um den Jungen zu suchen, an den sie sich erinnern kann. Oder vielmehr - an dessen Kuss sie sich erinnert. Große Emotionen, die scheinbar etwas in ihr auslösen, das die Erinnerung festhält.

"Jeder Tag kann der schönste deines Lebens werden" ist turbulent. Der Leser wird ebenso durcheinandergewirbelt wie Flora. Höhen und Tiefen, Ängste, Hoffnung und der Wunsch nach Wirklichkeit und Erinnerung. Emily Barr lockt uns mal in die eine, dann wieder in die andere Richtung und sorgt damit dafür, dass wir am Ball bleiben. Dass wir mitdenken und uns vorstellen, wie es ist, ohne Gedächtnis zu leben. Wie es den Alltag so erschwert. 

Da ist der Wunsch nach Autonomie, den Flora geht und den wir mitgehen. Selbstständigkeit - für uns ist es etwas, das ganz automatisch eintritt, wenn wir ein entsprechendes Alter erreicht haben. Etwas, auf das wir durch verschiedene Entwicklungsschritte vorbereitet werden. Für Flora ein tägliches Abenteuer, das sie immer wieder von vorn beginnen muss.

"Jeder Tag kann der schönste deines Lebens werden" ist keine leichte Kost. Obwohl die Schreibe der Autorin so fesselnd ist, dass ich anfangs dachte, ich lese das Buch in einem Rutsch durch, musste ich immer wieder innehalten, weil so viele Gedanken in meinem Kopf kreisten. Die Tatsache, dass ich es in einer Leserunde gelesen habe, und zu gewissen Abschnitten Notizen und Gespräche mit den anderen Teilnehmern geführt habe, hat mir dabei geholfen, mich zu sortieren und Flora beizustehen. 

Emily Barr hat eine eine Geschichte geschrieben, die sich vom Einheitsbrei abhebt. Es ist die Liebesgeschichte zwischen einem Mädchen und dem Leben. 

BIBLIO:

352 Seiten
16,99 €
ab 14 Jahren
Originaltitel: The One Memory Of Flora Banks
ÜBERSETZUNG: Maria Poets
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3 Kommentare:

  1. Liebe Nanni,
    den Schluss, bei dem einige Geheimnisse gelüftet werden, hatte ich so nicht erwartet. Die Krankheit fand ich bestürzende, habe mich aber gefreut, dass es schließlich doch noch einen Hoffnungsschimmer auf eine selbstbestimmtere Zukunft für Flora geben kann.
    LG Ingrid (von buchsichten.de)

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    1. Liebe Ingrid,

      nein, diese Geheimnisse habe ich auch nicht erwartet. Inhaltlich fand ich sie aber sehr stimmig und glaubwürdig,
      Ich habe mich auch sehr für Flora gefreut. Wenn einem eine Figur erstmal ans Herz gewachsen ist, wünscht man ihr nur das Beste ;)

      Liebe Grüße
      Nanni

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  2. Huhu Nanni

    Bevor nun die zweite Leserunde dann startet, habe ich es endlich geschafft, die Punkte für die erste Runde einzutragen. hier kannst du diese sehen.
    Ich fände es toll, wenn du auch bei "Beware that Girl" wieder mitlesen würdest.

    lg Favola

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Nanni