12.05.17

Geister - Nathan Hill



Ein Anruf der Anwaltskanzlei Rogers & Rogers verändert schlagartig das Leben des Literaturprofessors Samuel Anderson . Er, der als Kind von seiner Mutter verlassen wurde, soll nun für sie bürgen: Nach ihrem tätlichen Angriff auf einen republikanischen Präsidentschaftskandidaten verlangt man von ihm, die Integrität einer Frau zu bezeugen, die er seit mehr als zwanzig Jahren nicht gesehen hat. Ein Gedanke, der ihm zunächst völlig abwegig erscheint. Doch Samuel will auch endlich begreifen, was damals wirklich geschehen ist. - Ein allumfassender, mitreißender Roman über Liebe, Unabhängigkeit, Verrat und die lebenslange Hoffnung auf Erlösung, ein Familienroman und zugleich eine pointierte Gesellschaftsgeschichte von den Chicagoer Aufständen 1968 bis zu Occupy Wall Street.
(Text & Cover: PIPER, Foto: N. Eppner)
Samuels Geschichte beginnt - wie die von uns allen - in der Kindheit. Doch ist er nicht einfach nur Kind, sondern ein Kind mit einer besonderen, sagen wir mal eher anstrengenden, Eigenschaft. Er ist sehr nah am Wasser gebaut, heult wegen jeder Kleinigkeit, ist genau das Gegenteil seiner zähen Mutter, die mal mit Gleichmut und Mitleid und viel häufiger mit Ungeduld und Abscheu reagiert. Samuels Verhalten manifestiert sich, als seine Mutter von einem Tag auf den anderen verschwindet. Ohne ein Wort der Erklärung.

Im Berufsleben einfach mal so loszuweinen ist nicht gerade unanstrengend. Samuel fährt weiter auf der Mitleidsschiene, hat zwar einen Job, verliert diesen aber, ebenso wie seine große Liebe und den Sinn für Ehrgeiz, Anstrengung und das Leben an sich. Auch seine Flucht in die Welt der Computerspiele trägt ihn zunächst nicht wirklich voran, verschafft ihm aber einen unverhofften Freund, der mit in die Geschichte gezogen wird und von der Seitenlinie das zur Handlung beisteuert, was von Nöten ist, um das Rad zum Rollen zu bringen.

Das Angebot ein Buch über seine Mutter zu schreiben, die plötzlich als "Packer-Attacker" - sie hat Steine nach Minister Packer geschmissen - wieder auftaucht, scheint für Samuel das Angebot seines Lebens zu sein. Dadurch kann er einem drohenden Bußgeld seines Verlegers entkommen, die Tür in die Welt der Schriftsteller öffnet sich und schließlich und endlich kann er Rache nehmen an der Frau, die ihm so viel Leid zugefügt hat.

"Geister" ist nicht nur optisch, sondern auch inhaltlich ein sehr umfassendes Werk. Nathan Hill hat ein Debüt aus dem Boden gezogen, dass sich mit vielen Romanen erfahrener Schriftsteller messen kann. Ist sprachlich hochwertig, spannend erzählt und so komplex in den beschriebenen Themen, dass der Leser für sich selbst das Genre rausziehen kann, das ihm am besten passt. Neben Gesellschaftskritik, Psychogramm einer Familie und Satire, kommen sogar nordische Sagen zu Wort.

Als Pädagogin liegt mein Fokus auf den Zwischenmenschlichen Beziehungen. Was für ein Typ ist Samuel? Wo kommen seine Verhaltensmuster her? Welcher Generation entspringen sie? Wer schafft es den Kreislauf zu durchbrechen und warum hat seine Mutter ihr Kind zurückgelassen? Was muss sie in ihrem Leben erlebt haben, dass sie zu solch einer Tat fähig ist?

Nathan Hill konnte alle meine Fragen beantworten und dies auf eine Weise, die mich immer wieder zurück zum Buch gezogen hat. Die über 800 Seiten zu lesen war ein Klacks - so spannend und interessant hat er das Konstrukt der Verhaltensmuster aufgebaut. Samuels Gebaren jeglicher Form lässt sich erklären, lässt sich ableiten aus den Geheimnissen, die in der Familie tief verankert und gut versteckt sind. Jede noch so kleine Reaktion auf Probleme, Gespräche, Handlungen etc. löst sich im Verlauf der Geschichte auf. Muster, die sich über Generationen aufgestaut haben und deren Erkundung meiner Meinung nach so spannend sind wie ein Krimi.

BIBLIO:

PIPER (Oktober 2016)
864 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
25,00 €
ÜBERSETZUNG: Katrin Behringer, 
Werner Löcher-Lawrence
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4 Kommentare:

  1. Hallo Nanni.

    Das klingt nach einem vielseitigen spannenden Buch. 800 Seiten ist schon gewaltig. Aber wenn sie so gut gefüllt sind, hat man sie schnell weggelesen.

    Ein Mann der als Heulsuse fungiert, ist ja mal ganz was Neues. Eine schöne Besprechung von dir.

    Liebe Grüße,Gisela

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    1. Liebe Gisela,

      vielen Dank für die netten Worte.

      Ja, das Buch liest sich wirklich schnell, da die Handlung(en) wirklich interessant sind. Besonders die Rückblicke in Samuels Leben bzw. das seiner Mutter haben mir gut gefallen, da sie sehr gut aufklären, warum sie zu den Menschen geworden sind, die sie heute sind. Sie erklären eben auch, warum Samuel so nah am Wasser gebaut ist ;)

      Liebe Grüße
      Nanni

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  2. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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  3. Huhu!

    Die Rezension ist großartig geschrieben! Jetzt habe ich schon ein viel besseres Verständnis dafür, worum es in dem Buch geht – in der Buchhandlung habe ich es immer mal wieder in der Hand.

    Ich habe deinen Beitrag HIER für meine Kreuzfahrt durchs Meer der Buchblogs verlinkt!

    LG,
    Mikka

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