04.08.17

The Hate U Give - Angie Thomas



Die 16-jährige Starr lebt in zwei Welten: in dem verarmten Viertel, in dem sie wohnt, und in der Privatschule, an der sie fast die einzige Schwarze ist. Als Starrs bester Freund Khalil vor ihren Augen von einem Polizisten erschossen wird, rückt sie ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit. Khalil war unbewaffnet. Bald wird landesweit über seinen Tod berichtet; viele stempeln Khalil als Gangmitglied ab, andere gehen in seinem Namen auf die Straße. Die Polizei und ein Drogenboss setzen Starr und ihre Familie unter Druck. Was geschah an jenem Abend wirklich? Die Einzige, die das beantworten kann, ist Starr. Doch ihre Antwort würde ihr Leben in Gefahr bringen... (Text & Cover: © Randomhouse; Foto: © N. Eppner)

Seit ich Denken kann sind Gleichberechtigung und Rassismus ein Thema. In meinem privaten Umfeld und für mich. Ich engagiere mich hier und da, übe einen sozialen Beruf aus, um zu helfen, interessiere mich für Politik, lese fiktive und nicht fiktive Romane über die Historie der Sklaverei und verfolge, was in der Welt geschieht. Und trotzdem war mir nicht bewusst, dass es in den USA nach wie vor so eine krasse Unterscheidung zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben gibt. Ich schäme mich dafür und bin froh, dass Angie Thomas ein Buch geschrieben hat, das mir und hoffentlich auch vielen anderen, die Augen öffnet.

Starr ist anwesend, als ihr Freund Khalil ohne ersichtlichen Grund von einem weißen Polizisten erschossen wird. Warum ist nicht klar und letztendlich zählt nur, dass er einen Jugendlichen umgebracht hat. Schreie nach Gerechtigkeit werden laut. Das ist Mord und der darf nicht ungestraft bleiben.

Dass es einen Unterschied macht, welche Hautfarbe das Opfer hat, welcher ethnischen Gruppierung es angehört, ist sowohl Starr, als auch mir nicht klar, bis wir Bekanntschaft machen mit der Ungerechtigkeit, mit der Khalil behandelt wird. Es tauchen so viele Fragen über Recht und Unrecht auf, dass ich nicht in der Lage bin, diese alle in Worte zu fassen. Der Klos in meinem Hals sitzt zu fest, wenn ich daran denke, was in Starrs Leben alles passiert.

Khalil ist schon der zweite Mensch, dem Starr beim Sterben zuschaut. Als sie 10 Jahre alt ist, wird ihre Freundin Natasha auf offener Straße erschossen. Ein Kind, das zwischen die Kugeln der sich bekämpfenden Banden gerät.

Diese Bandengeschichten sind eine grausame Tradition. War das vielleicht auch dein Gedanke? Hier solltest du unter die Deckschicht aus Coolness und Zusammenhalt schauen. Warum gibt es den Zusammenschluss einzelner Gruppen? Warum herrscht so viel Gewalt? Warum müssen Jugendliche Drogen verkaufen?

Es ist der Wunsch, den wir alle in uns tragen, der sie dazu treibt. Der Wunsch zu überleben. Denn dort wo Starr und ihre Familie leben, gibt es keine Gerechtigkeit, keine Gleichberechtigung. Menschen bekommen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer ethnischen Zugehörigkeit keine angemessene Schulbildung. Keinen Job. Keine angemessene Bezahlung. Sie werden in Schubladen gesteckt und abgestempelt. Nur wenige schaffen den Weg hinaus, denn er ist unberechenbar.

Angie Thomas hat all diese Ungerechtigkeiten mit denen Schwarze auch heute - über 50 Jahre nachdem gesetzlich festgelegt wurde, dass sie vollwertige Mitglieder der Gesellschaft sind (es schmerzt mich diesen Satz zu schreiben, denn es ist tragisch, dass dies überhaupt in Gesetzen verankert werden muss) - noch zu kämpfen haben, in einen spannenden Roman geschrieben, der hoffentlich ganz viel Gehör findet. Ganz ohne belehrend erhobenen Zeigefinger. Eine Geschichte, die für sich selbst spricht.

Etwas kritisch betrachte ich die Darstellung der Polizei. Ich hoffe, dass diese durch den Roman nicht in die Schublade gedrängt wird, aus der Thomas' Protagonisten heraus wollen. Dass die Jugendlichen auch durch die Figur des Onkel Carlos verstehen, dass man Menschen nie wegen ihres Berufs, ihrer Hautfarbe, ihres Glaubens - whatever - über einen Kamm scheren sollte.

"The Hate U Give" ist nicht nur ein extrem spannendes, bewegendes Buch, sondern vor allem ein wichtiges Buch, das von ganz, ganz vielen Menschen gelesen werden sollte, um deren Horizont ebenso zu erweitern wie meinen. Nur so können wir etwas verändern.

Buchinfo:

cbt (Juli 2017)
512 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
17,99 €
ÜBERSETZUNG: Henriette Zeltner
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Rezension: © 2017, Nanni Eppner

5 Kommentare:

  1. Hey,

    eine tolle Rezi!
    Ich habe das Buch jetzt auch mal auf die WuLi gelegt. :)

    Ich wünsche dir einen tollen Freitag!

    Ganz lieben Gruß
    Steffi
    www.angeltearz-liest.de

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    1. Vielen Dank, liebe Steffi.

      Lies es! Es ist wirklich ganz großartig. Nicht nur wegen des brisanten Themas. Angie Thomas schreibt einfach toll.

      Dir auch ein wundervolles Wochenende.
      Liebe Grüße,
      Nanni

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  2. Hallo Nanni,
    eine sehr schöne Rezi! Ich habe meine auch eben erst eingestellt und habe doch ein paar wenige Kritikpunkte. Trotzdem finde ich dieses Buch sehr wichtig und finde es toll, dass es von allen Altersklassen gewesen wird...und werden sollte.
    Liebe Grüße
    Martina
    http://martinasbuchwelten.blogspot.co.at/

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  3. Eine tolle, ausführliche Rezension. Das Buch möchte ich unbedingt lesen.

    Neri
    www.leselaunen.net

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    1. Hallo Neri,

      vielen Dank. Es lohnt sich wirklich sehr das Buch zu lesen.

      Liebe Grüße,
      Nanni

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Nanni