16.07.14

Baba Jaga / Toby Barlow

 
"Was sie sah, hatte sie schon allzu oft gesehen: einen spatzenhirnigen, eitlen Menschen, der in dem Glauben erzogen worden war, die Welt drehe sich um ihn, während es in Wirklichkeit er war, der sich im Dunklen im Kreis drehte, Kreise zog um Wahrheiten, die er niemals auch nur erahnen würde."

Meine Erwartungen an "Baba Jaga" waren ziemlich hochgesteckt. Grund dafür: ein ausgesprochen buntes und doch irgendwie magischer Buchumschlag in Verbindung mit einer Hexe und der CIA und das alles im mondänen Paris. Eine schillernde und aufwendige Geschichte, so meine Vorstellung des Romans. Und dann ist es ja immer so, ist der Berg der Erwartungen hoch, kann der Leser bei nicht erfüllen auch tief fallen. Zum ersten Mal in meiner langen Leselaufbahn weicht ein Buch von meinen Erwartungen ab und erfüllt mein Leseverlangen doch auf so geniale Art.
 
" '[...] Und eine tote Frau nimmt selten alle ihre Schuhe mit - so gern sie das vielleicht auch täte.' "

Toby Barlow konnte mich nicht nur schnell, sondern immer wieder fesseln. Mit jeder neuen Seite, jedem neuen Kapitel entwickelte er feine und sehr präzise herausgearbeitete Spannungsmomente, die dem Leser nicht als solche sichtbar wurden und dennoch immer wieder an ihm zogen, so dass es nur schwer möglich war, das Buch auch aus der Hand zu legen.

"Es gibt nichts Großes auf der Welt, dachte er, das nicht aus einer verschwindend kleinen, vollkommen unscheinbaren Tat hervorgegangen wäre."

Toby Barlow spielt mit geschichtlichen Spekulationen über Infiltration und Spionage, butzt für deren Umsetzung eine moderne, weiblichere und sinnlichere Form der slawischen Baba Jaga, die ursprünglich eine hässliche, alte Hexe ist und setzt ihr einen sehr typisch amerikanischen Geheimagenten zur Seite. Natürlich verlieben sie sich. Dieses ungleiche Paar, das einen Hauch von Bonnie und Clyde versprüht, aber von den vorteilen der ausschweifenden Fantasie des Autors profitiert. "Baba Jaga" ist schon ein eher skurriler Roman, der unter einem kleinen Haufen Ironie, auch ernst verbirgt. dies alles ist gut eingebettet in Toby Barlows samtiger Erzählstimme, der ich so gerne lauschte, auch wenn er mich mit teilweise bizarren Handlungen, überraschte und auch ein wenig stutzig machte. Für mich ist er mit diesem Roman zum Quentin Tarantino der Poesie und der Erzählkunst geworden, der mich auf hohem Niveau und mit etwas schrägen, aber sehr einnehmenden Ideen begeistern konnte. Es ist kein Buch für Jedermann, sondern eher eine Geschichte für Liebhaber, die sich auf das einlassen können, was der Autor, ein Schriftkünstler, in seiner Fantasie ersonnen hat.

"Es ist der älteste und einfachste Fluch auf Erden, und richtig angewandt, ist er durch nichts aufzuheben. Manche mögen ihn Liebe nennen."


Buchinfo:
 
Hoffmann und Campe (März 2014)
544 Seiten
19,99 €
Übersetzer: Giovanni und Ditte Bandini
 
 

1 Kommentar:

  1. klingt interessant :) Baba Jaga kenn ich bisher auch nur als die alte, hässliche Hexe

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