09.07.14

Vollendet / Neal Shusterman



"Vollendet" ist nicht nur optisch ein Glanzstück, sondern auch inhaltlich. Obwohl einfarbig, ist es doch so auffällig. Schon häufig sind mir Rezensionen dazu über den Weg gelaufen. Es sei bedrückend hieß es. Und außerdem sehr spannend und aufregend. Viele Worte, die mich jedoch kein bisschen darauf vorbereiteten, was mich wirklich erwartet: Ein Knaller!! Ein Roman, den ich nicht mehr aus der Hand legen kann. Der mich schockiert mit einer Idee, die mich fast dazu bringt mich zu übergeben ...

Connor weiß nicht was er sagen soll. Eigentlich dachte er, er hätte ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Eltern. Doch dann entschließen sie sich dazu, ihn umwandeln zu lassen. Umwandeln bedeutet, dass Teile deines Körpers genutzt werden, um anderen Menschen zu helfen. Transplantate für diejenigen, die es verdient haben gesund zu sein. 13 Jahre lang dürfen Eltern ihre Kinder nicht "abtreiben", doch ab dann ist es erlaubt. Besonders gefragt sind diejenigen, die sehr sportlich und gesund sind. Sie sind geeignete Ersatzteillager.

Auch Risa wird umgewandelt werden. Sie lebt in einem Waisenhaus und irgendwann ist dort einfach kein Platz mehr für ältere Kinder. Babys müssen aufgenommen werden. Das schreibt das Gesetz so vor. Obwohl sie im Gegensatz zu Connor immer gefügig und brav war, wird sie nun aussortiert. Doch mit Connors Hilfe gelingt ihr die Flucht.



Es gibt nicht nur die Jugendlichen, die von ihren Eltern nicht mehr gemocht werden, die, weil sie aufmüpfig sind und nicht mehr nur das tun, was ihre Eltern wollen, abgeschoben werden, sondern auch die, die sich freiwillig opfern. Die ihr Leben lang darauf vorbereitet werden als "Zehntopfer" zu sterben. Gezüchtet als Ersatzteillager ...

Schockierend oder? Unbegreiflich wie Eltern so etwas tun können. Ekel steigt in mir auf bei dem Gedanken, es könne Ernte Camps wie im Roman tatsächlich geben. Aus meinem Job in der Jugendhilfe weiß ich, dass es gar nicht so abwegig ist, dass Eltern ihre Kinder in diesem Alter weggeben weil sie schwierig sind. Wegschauen und daran glauben, dass sie einem besseren Zweck dienen ist einfach und mit wenig Anstrengung verbunden.

Ich bin immer noch sehr berührt, habe das Gefühl, dass tausend Nadeln durch meinen Körper schießen, beim Gedanken daran, was Neal Shusterman, dessen "Animorphs"-Bücher ich als Jugendliche so gern gelesen habe, in seinem Roman beschreibt. Bis ins Detail, bis aufs Blut ... Und dennoch hat mich das Buch extrem begeistert. Ein kleiner Kritikpunkt ist zwar die Sprache, die teilweise recht flach ist, aber diesen Faktor habe ich schnell vergessen, als ich meinen ersten Gang durchs Ernte Camp unternommen habe. Den Ort, an dem sich die Hölle als Himmel verkleidet hat.

Shusterman hat das gemacht, was ich mir schon so lange von Autoren wünsche: das Genre Dystopie wirklich auszunutzen. Ausreizen mit Ideen, die uns fern scheinen und gleichzeitig doch nicht so abwegig sind. Ideen, die die Abgründe der Gesellschaft, die dunklen Seiten der Menschheit zeigen. Fast in einem Rutsch habe ich durchgelesen durch "Vollendet". Der zweite Teil "Vollendet: Der Aufstand" steht schon bereit. Der dritte erscheint im Herbst beim Verlag Sauerländer. Bis dahin habe ich mich wohl erholt von den Gedanken, die Shusterman aufgeworfen hat. Bedrückend, schockierend, real ... eine Leseempfehlung auf ganzer Linie!!

Vollendet

Buchinfo:

Sauerländer 
432 Seiten
16,99 €
Übersetzerin: Ute Mihr / Anne Emmert

4 Kommentare:

  1. "Vollendet" ist wirklich ein wahnsinnig gutes Buch, ich kann das voll unterschreiben, was du da sagst. Was mir an dieser Trilogie bislang auch gut gefällt ist, dass Band 2 kein Lückenfüller ist, sondern das der Autor Tempo und die Spannung aus Band 1 halten kann. Ich bin schon so gespannt auf Band 3.
    LG
    Yvonne

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    1. Hey,
      ach toll. Dann kann ich mich ja schon auf Band 2 freuen :)
      LG Nanni

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  2. Das klingt wirklich nach einem aufwühlenden Buch. Die Grundidee erinnert mich aber dermaßen an "Alles, was wir geben mussten" von Kazuo Ishiguro, dass ich nicht so recht weiß, ob ich unbefangen daran herangehen könnte.

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  3. Hey,
    teilweise ist es echt richtig heftig!! Heute hatten wir in der Dienstbesprechung einen Fall, wo die Eltern den Sohn stationär unterbringen lassen wollen. Aus unserer Sicht etwas unbegründet. Da musste ich direkt wieder an die Ernte Camps denken.
    "Alles, was wir geben mussten" kenne ich gar nicht. Werde ich mir gleich mal anschauen :)

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