17.09.14

Einer da oben hasst mich - Hollis Seamon



" 'Ich habe das EDOHM-Syndrom. Es ist ein Akronym.' Viele wissen nicht, was ein Akronym ist, aber ich warte immer ein bisschen bevor ich sie aufkläre: 'Ich habe das Einer-Da-Oben-Hasst-Mich-Syndrom.' "

Richie ist 17-Jahre und seit einiger Zeit lebt er im Hospiz. Das ist der Bereich des Krankenhauses, in dem die Menschen untergebracht sind, die bald sterben werden. Egal, ob jung oder alt. Der Tod kennt keine Rücksicht. Auf ihn zu warten ist sterbenslangweilig. Doch was passiert schon lustiges in einem Hopsiz wo täglich Menschen darauf warten sich endgültig zu verabschieden? Außer einer langweiligen Harfenistin und dem ziemlich gleichbleibenden Tagesablauf ist die einzige Aufregung der schnelle Wechsel der Patienten. Deshalb nimmt Richie das jetzt mal selbst in die Hand und sorgt für Action. Gemeinsam mit Sylvie, ebenfalls Hospizpatientin, überlegt er sich einen Halloweenstreich, der nicht so gut ankommt, wie von ihm und Sylvie erwartet. Ab sofort hat man die beiden als Rebellen der Station auf dem Kieker.

"Plötzlich bin ich jemand, um den sich die Frauen reißen. Deswegen ist es ja so cool, am Leben zu sein, egal unter welchen Bedingungen. Überall lauern Überraschungen, man weiß nie, was als Nächstes kommt."

Das hält Richie jedoch nicht davon ab, sich auf das nächste Abenteuer einzulassen. Von den Pflegern und Eltern als Dummheit bezeichnet, ist es für ihn die erste Möglichkeit seit langem mal wieder zu spüren, dass er noch lebt, dass er eben noch nicht bereit ist, dem Tod klein beizugeben. Nicht so kurz vor seinem 18 Geburtstag. Nicht so kurz davor erwachsen zu werden. Der Krebs, der ihn schon seit einer Weile befallen hat, stellt ihm eine Menge Hindernisse in den Weg. Doch Richies Willen ist stark. Vor allem seit Sylvie den Wunsch geäußert hat sich von ihm entjungfern zu lassen. Mann, diesen Wunsch kann er ihr doch nicht abschlagen, oder?

"Mein Herz klopft bis zum Hals, und ich spüre, dass ihr Herz das Gleiche tut. Kaum zu fassen: Gleichklang!"

Tod und Krankheit ist derzeit scheinbar ein gefragtes Thema im Jugendbuchbereich. Sozusagen "in". Klingt ein wenig makaber, ist aber eben auch eine Möglichkeit sich mit diesem Thema, das schwer auf den Herzen von Betroffenen und nicht Betroffenen lastet, auseinanderzusetzen. Es ist vielleicht gerade leicht auf diesen Zug aufzuspringen, leicht damit Geld zu verdienen, aber ich finde es unheimlich mutig diesen Schritt überhaupt zu wagen, denn mit Sicherheit schaut gerade jeder genau hin, wie die Geschichte umgesetzt wurde. Hollis Seamon ist das auf ganz großartige Weise gelungen. Sie selbst hat jahrelang ihren kranken Sohn gepflegt, weiß also wovon sie spricht, wenn bspw die Atmosphäre des Krankenhauses beschreibt. Weiß, dass die Pfleger dort kein einfaches Los haben und über eine "gesunde" Mischung aus Mitgefühl und Abgestumpftheit verfügen müssen, um solche Schicksale ertragen zu können. Ich könnte mir dies nicht täglich ansehen und ich könnte auch nicht immer darüber lesen.

" 'Beten? Gute Frage. Vielleicht sollte ich es tun, aber anders als viele andere hier kann ich mir nicht vorstellen, dass Gott mir sein Ohr leiht. Ich meine, sieh doch nur, wo ich arbeite! Ich wüsste ja nicht mal, für wen ich zuerst beten sollte.' "

"Einer da oben hasst mich" habe ich dennoch sehr, sehr gern gelesen. Ich bin förmlich durchs Buch geflogen, das so realistisch und echt geschrieben wurde. Das nichts beschönigt und die schrecklichen Seiten einer Krankheit, die tödlich enden kann, darstellt. Aber eben auch den Wunsch der Patienten, das Leben bis in den kleinsten Atemzug zu genießen. Und wenn es der Letzte ist. Protagonist Richie ist der Debütautorin einfach nur richtig gut gelungen. Ein Teenager durch und durch, der sich eben damit beschäftigt, womit sich andere in seinem Alter auch beschäftigen. Der es dem Tod nicht leicht machen will und der einfach nur leben möchte. Gänsehaut und Tränen bleiben bei diesem Buch nicht aus, aber auch Lacher, denn Richie ist ein prima Kerl und die Autorin hat einen guten Humor und nutzt statt Kitsch lieber Lässigkeit. Denn trotz allem Leid, was Richie und all den anderen auf der Hospizstation widerfährt, dreht sich die Erde unentwegt weiter.

" '[...]Sie will jede einzelne Sekunde auskosten, die ihr bleibt. Sie glaubt, dass sie wieder gesund wird. Sie will leben. Sie ist stärker als jeder andere hier. Und süß ist sie ganz und gar nicht. Sie ist eine Powerfrau!' "

Ein Buch, das ich euch allen unbedingt ans Herzen legen möchte. Witzig, äußerst charmant, vollgepackt mit Pubertätskram in lockerer Schreibe, ein Buch, das Mitgefühl weckt, das traurig macht und uns daran erinnert jeden Tag die kleinen und großen Momente des Glücks zu genießen.

Buchinfo:


cbt (Mai 2014)
HC mit Schutzumschlag
256 Seiten
14,99 €
Originaltitel: Somebody Up There Hates Me
Übersetzerin: Edith Beleites

7 Kommentare:

  1. Klingt sehr gut! Das Buch ist auf meiner Wunschliste!
    Liebe Grüße
    Sonja

    AntwortenLöschen
  2. Das klingt ja richtig gut! Ich hab immer ein wenig Angst, solche Bücher anzupacken, weil ich mit den Protagonisten immer so mitleide... Aber ich setze es mir jetzt mal auf die Wunschliste.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Also ich kann dir schon jetzt verraten, dass du sicher mitleiden wirst, denn Hollis Seamon beschönigt wirklich nichts. Da gibt es keine Blümchen Lovestory, in der die Liebe Flügel wachsen lässt, sondern die Geschichte einer Krankheit mit der nicht zu spaßen ist. Und dennoch ist es sicherlich eine Geschichte die Mut macht und den Leser auch zum Lachen bringt. Ich bin gespannt wie es dir gefällt. Melde dich mal, wenn du es gelesen hast :)

      LG Nanni

      Löschen
  3. Hallo :)

    großes Lob an dich für die tolle Rezi! Das hat mich jetzt total neugierig auf das Buch gemacht und es landet sofort auf meiner Wunschliste.

    GLG Insi Eule
    dieinsieule.blogspot.de

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Hey,

      danke :) Freut mich :)

      Ich überlege gerade, ob eine Wanderbuchaktion zu diesem Buch wohl ankommen würde? Ich glaube, ich habe alle meine Marker noch drin gelassen ...

      LG Nanni

      Löschen
  4. Wie gut, dass ich mir das Buch die Tage in der Bibliothek ausgeliehen habe. Andernfalls würde es nach deiner Rezi sicherlich auf meine Wunschliste wandern. Jetzt freue ich mich jedenfalls doppelt aufs lesen :)

    AntwortenLöschen

Hallo,
schön, dass du hier her gefunden hast. Ich freue mich über deinen Kommentar.
Mit dem Absenden deines Kommentars gibst du dich einverstanden, die bestehenden Datenschutzbestimmungen (s. entsprechende Seite auf meinem Blog) zu akzeptieren.
Liebe Grüße,
Nanni