25.09.14

Nur wer fällt, lernt fliegen - Anna Gavalda

 
"Kinder, die gegen etwas Unsichtbares kämpfen, Kinder, die entwurzelt sind, die von morgens bis abends ständig die Luft anhalten und manchmal daran krepieren, ja, die am Ende absaufen, wenn niemand sie da rausfischt oder sie es allein nicht schaffen..."

Billie und Franck, in der Schule seit je her Außenseiter gewesen, in der Familie keinen Halt bekommen, finden sich. Es dauert ein Weilchen bis sie sich anfreunden, denn Freundschaft, ehrliche Gefühle, all das ist ihnen nur ansatzweiße bekannt. Billie, die bei ihrem Vater und dessen alkoholabhängiger Mutter lebt, keine Wärme und Nähe kennengelernt hat und diese deshalb fürchtet, und Franck, der anders ist, als sein Vater es sich gewünscht hat, der eine Enttäuschung ist für seinen alten Herrn und für den Lob und Anerkennung Fremdworte sind.
 
"Billie war dazu bestimmt, Schönes zu erschaffen, während so viele Menschen zuvor versucht hatten, ihr einzureden, dass sie darauf kein Recht hätte."

Ein zartes Band der Freundschaft entwickelt sich in der Schule, mit Schulabschluss geht man getrennte Wege, jeder landet irgendwie in seinem eigenen Sumpf. Doch man findet sich wieder. Entdeckt die zarten Bande, die schon mal Rettung in der Einsamkeit waren, wieder neu und verspricht zusammen zu bleiben. Ein Leben zu leben, das besser ist, als alles was man zuvor erlebt hat. Doch so einfach ist es nicht aus seiner Schublade herauszukriechen, Erfahrungen abzuschütteln und sich dem Kampf der eigenen erlernten Identität zu stellen. Vor allem für Billie eine große Herausforderung.

"Und genau darum hatte ich so viel Bammel: Jeder noch so kleine Windstoß warf mich um und drückte mich zu Boden. Und Franck war damals nicht robust genug, um bei mir erste Hilfe zu leisten. Darum gingen wir sehr vorsichtig miteinander um. Wir schätzten uns gegenseitig, aber wir klebten nicht zu sehr aneinander, um nicht noch mehr Unheil anzurichten."

Erzählt wird "Nur wer fällt, lernt fliegen" aus der Perspektive von Billie, die ihre Geschichte einem Stern vorträgt, während ihr Freund Franck verletzt in einer Felsspalte liegt, in die sie beide während einer gemeinsamen Bergtour hineingerutscht sind. Die erfolgreiche französische Autorin Anna Gavalda gibt ihrer Protagonistin eine authentische Stimme, mit der sie ihre bewegende Geschichte erzählt, die den Leser ganz sicher unter der Oberfläche trifft. Poetisch und barsch zugleich, so wie Billie und Franck es eben gewöhnt sind. Das Leben ist ein auf und ab, unter dem sie beide schon lange gelitten haben. Verwundet sind sie nicht erst seit ihrem Unfall. Die Narben die sie tragen, sind die Spuren von Missachtung, Misstrauen und mangelndem Selbstwertgefühl. Schicksale wie sie in der realen Welt geschehen, mit all ihren Kurz- und Spätfolgen.

"Aber weil er es war, weil ich es war und weil uns immer noch gelang, gemeinsam zu fliegen und uns in einem derart jämmerlichen Augenblick in der Luft zu treffen, stieg ich mit einem Bein über ihn hinweg und legte meinen gesunden Arm auf seinen Unterleib."

Mir hat "Nur wer fällt, lernt fliegen" sehr gut gefallen. Anna Gavalda bringt die Geschichte in ihrer Kürze auf den Punkt, lässt sich trotzdem ein bisschen Spielraum für Schnörkel, Träume und Hoffnungen und sticht dem Leser mit kurzen, prägnanten Lebenserfahrungen der Protagonisten unter die Haut. Ein sehr stimmiges Ende hat mich davon überzeugt, dass man beim Namen Gavalda immer beruhigt zugreifen kann.

Buchinfo:

 
Hanser (Juli 2014)
192 Seiten
18,90 €
Übersetzerin: Ina Kronenberger
 

2 Kommentare:

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  2. Das ist ja definitiv auch ein Buch für mich. Klingt richtig gut! Ich hatte irgendwann schon mal was zum Inhalt gelesen, aber es jetzt gar nicht mehr in Zusammenhang mit diesem Buch gebracht.

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