12.06.16

[Kinder Traumstube] Erziehung??! Kann man das essen??!

Ja ich gestehe, auch bei mir - der bibliophilen Buchbloggerin, läuft manchmal der Fernseher.
Besonders seit das kleine Bücherwürmchen auf der Welt ist und ich wegen nächtlicher Unruhen mittags ab und an ein Schläfchen benötige. Ganz besonders gut kann ich schlafen, wenn der Guido Stylingtipps gibt.

Neulich war ich so hundemüde, dass es mich schon vorher auf's Sofa zog. Fernseher an – großes Kino. Eine Sendung, in der sich zwei Mütter gegenseitig besuchen, den Erziehungsstil der jeweils anderen kritisieren, was dann auch noch von Experten (z.B. einer jungen Frau, die sich fünf Kinder wünscht, bisher aber noch kein eigenes hat oder aber einem homosexuellen Pärchen mit Hund) mit viel Gelaber Fachkompetenz bewertet wird.

Beim Wort Erziehung konnte ich einfach nicht weghören – ist ja nicht nur privat, sondern auch beruflich ein Thema für mich – und schaute mir das Ganze mal an. Die dort vorgestellten Mütter zu beschreiben spare ich mir nun einfach mal, denn der Fernsehsender hat ganze Arbeit geleistet und alle Klischeeschubladen ausgeräumt. Was das bedeutet könnt ihr euch vielleicht vorstellen.

Was mich dann jedoch beschäftigte, war die Frage was ist gute Erziehung?


Dieses Zitat von Astrid Lindgren habe ich neulich entdeckt und direkt mal für mich abgespeichert. Denn in dieser Aussage stimme ich ihr voll und ganz zu. Mutterliebe (oder auch Elternliebe) zu erfahren ist eins der Grundbedürfnisse eines Kindes. Die Wissenschaft geht sogar so weit zu sagen, dass ein Kind, das keine Liebe erfährt, an diesem Mangel sterben kann (s. auch Kaspar-Hauser-Experiment oder HarryHarlow). Zumindest aber bekommt es mindestens starke neurologische, sowie verhaltenspsychologische Schäden (Natürlich kann auch ein Übermaß an Liebe und Nähe für Verhaltensauffälligkeiten sorgen. Eben alles in Maßen. Wie in allen Bereichen des Lebens).

Eine gute Gewährleistung der Grundbedürfnisse Liebe, Nähe, Zuneigung, sorgt für eine sichere Bindung, und ein Kind, das sich gut gestärkt fühlt für den Eintritt in die es umgebende Welt, in der es sein Leben lang in Beziehungen verschiedener Kontexte treten wird.

Und was ist mit den Grenzen? Man kann sein Kind doch nicht nur mit Liebe überschütten. Irgendwann tanzt es uns doch auf der Nase herum!

Gehen wir erst einmal davon aus, dass ein Kind das gar nicht möchte. Es möchte weder tyrannisieren, noch herum kommandieren. Es möchte halt, dass seine Grundbedürfnisse gesichert werden (Buchtipp zum Thema Grundbedürfnisse: „Menschenkinder“ / H. Renz-Polster / Kösel).

Dazu gehören aber auch Grenzen. Denn die helfen ihm nicht nur sich in der Gesellschaft zurecht zu finden, sondern bieten ihm auch Schutz. Als Erwachsener kann man sich das so vorstellen: man geht eine steile, lange Treppe hinunter. Links und rechts nichts außer Abgrund. Befindet sich dort ein Geländer, eine BeGRENZung, fühlen wir uns sicher. Es gibt uns Halt und eine Orientierung, an der wir uns entlang hangeln können.

Vor der Elternzeit habe ich in einer stationären Einrichtung für Jugendliche gearbeitet. Mit meinen Kolleginnen habe ich mich oftmals über Erziehung unterhalten, denn viele, der dort lebenden Mädchen, haben keine Erziehung genossen. Nicht alle von ihnen haben überhaupt Eltern oder Kontakt zu ihnen. Ich habe meinen Erziehungsstil, der dort bisher auf Erfolg traf, als „mütterlich“ bezeichnet. Eigentlich ein sehr schwammiger Begriff und für mich doch irgendwie eindeutig, denn er beinhaltet eben ein ausgeglichenes Maß an Regeln und Grenzen, aber auch an Nähe, Aufmerksamkeit und Interesse.

Nichts, was ich im Studium erlernt habe, sondern was mir von meiner Mutter (meinen Eltern, Großeltern) mitgegeben wurde und was ich hoffentlich auch an meine Kinder weitergeben kann, denn dies sind die Grundsteine dafür, dass ein Kind zu einem gütigen, herzlichen und aufgeschlossenen Erwachsenen heranreifen kann.

Was bedeutet Erziehung für euch?

Wie steht ihr zum Thema Erziehung? Beschäftigt ihr euch mit bestimmten Erziehungskonzepten? Habt ihr einen Erziehungsstil „erlernt“ (übernommen)? Oder handelt ihr ganz nach Bauchgefühl?


Wie ist es bei denjenigen von euch, die beruflich mit Erziehung zu tun haben? Hat man euch im Studium / in der Ausbildung gezeigt, wie Erziehung funktionieren kann?  

6 Kommentare:

  1. Hallihallo :) Interessanter Beitrag und wichtiges Thema! Und dass dieses Thema bei dir gerade mehr als aktuell ist, finde ich auch absolut nachvollziehbar.
    Bei mir ist die Erziehung momentan nicht wirklich ein Thema, da ich keine Kinder habe und so schnell auch keine plane. Was mich selbst betrifft, so würde ich sagen, bin ich sehr gut erzogen worden und ich bin in der Hinsicht meinen Eltern auch SEHR dankbar. Meine Eltern waren und sind auch heute noch immer für mich da, haben mir stets Freiheiten gelassen, aber dennoch auch immer Grenzen aufgezeigt. (Die Metapher mit dem Geländer finde ich übrigens sehr gelungen!) Ich finde, das ist auch wichtig; einem Kind Grenzen aufzuzeigen. Man kann ein Kind nicht alles machen lassen, aber es sollte stets die Möglichkeit haben, sich selbst auszuprobieren und auch Fehler zu machen - um aus diesen zu lernen. Für mich gehören aber auch so ganz gewöhnliche kleine Dinge zu einer "erfolgreichen Erziehung", so etwas wie Bitte und Danke sagen, Guten Tag sagen, sich die Hand vor den Mund halten, wenn man niest - Manieren eben. Ich muss gestehen, ich habe über so etwas nie nachgedacht, weil das für mich stets absolut "normal" erschien, so zu handeln. Ich kenne es nicht anders und würde es nicht anders haben wollen. Ich wäre - naiv wie ich vielleicht bin - auch nicht auf die Idee gekommen, dass es Menschen gibt, die die "einfachsten" Dinge nicht gelernt haben. Die nicht wissen, dass man Entschuldigung sagt, wenn man etwas falsch macht, zu spät kommt oder was auch immer. Die nicht wissen, dass man am Tisch nicht rülpst. Die solchen "einfachen normalen" Sachen, die zumindest ich als solche nicht empfinde, nicht kennen, weil sie ihnen nie jemand beigebracht hat. Weil ihren Eltern das völlig egal war, ebenso wie ihre Kinder ihnen egal war.
    Mir geht´s da ähnlich wie dir. Du arbeitest im sozialen Bereich mit Jugendlichen, ich arbeite in der Psychologie momentan mit psychisch kranken Menschen. Und da habe ich ständig Patienten vor mir sitzen, die eben genau solche Liebe und Erziehung schon in den frühen Jahren nie erlebt haben, die ein katastrophales Verhältnis zu ihren Eltern hatten (wenn überhaupt Kontakt da war), die schlicht und einfach "nicht erzogen" wurden. Und sich dessen nicht bewusst sind. Und da fällt es einem dann auch schwer, sich als Betreuer oder Psychologe immer wieder bewusst zu machen, dass die (zumindest zu einem Teil) nichts dafür können, dass sie heute so sind, wie sie sind.
    Erziehung ist so ein wichtiges Thema. Man könnte sich wahrscheinlich ewig darüber auslassen. Ich kann aus der Sicht einer Mutter wenig dazu sagen, weil ich keine bin. Ich denke, es ist auch wichtig, dass du dich selbst immer wohl und richtig damit fühlst, wie du dein Kind erziehst. Auch mal gelassen sein, aber das Kind immer spüren lassen, wie wichtig es einem ist und dass es geliebt wird. Das ist letztlich das Wichtigste, finde ich.

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    1. Liebe Caroline,

      vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar. Es freut mich, dass dir der Artikel gefallen hat.
      In der Psychologie ist man ja auch oft mit Erziehung konfrontiert, aber eben anders, als ich es in meinem Beruf bin. Ich denke in deinem Job betrachtet man es noch aus einer anderen Perspektive und benennt es vielleicht anders. Denkt weniger an Erziehung im direkten Sinne, als vielmehr an erlernte Rollen, mangelnde Sicherung der Bedürfnisse, Beziehungsanfragen stellen und was so alles dafür verantwortlich sein kann, dass Menschen an einer psychischen Krankheit erkranken. Wenn man genau hinsieht, liegen viele der Ursachen ja in der Kindheit.
      Viele liebe Grüße
      Nanni

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  2. Ich bin generell eher kein Kindermensch, daher muss ich mich zum Glück nicht damit beschäftigen, wie ich meine Kinder erziehen würde. Vermutlich wäre ich damit auch vollkommen überfordert. Aber was mir auffällt, ist dass Erziehung heutzutage nicht mehr in der breiten Masse stattzufinden scheint. Wir waren als Kinder wild, laut, aber niemals respektlos gegenüber Erwachsenen. Ich war ein vorlautes Kind, vermutlich richtig nervig. Aber nicht nur wusste ich, dass zwischen 13 und 15 Uhr jeder Lärm verboten ist, ich habe auch nie Fremde beleidigt.

    Aber heute? Ich muss täglich Bus fahren (naja, jetzt zum Glück nicht mehr, die nächsten 6 Monate darf ich den meisten Unikram zuhause bearbeiten) und was ich da bei Kindern so miterlebe, ist einfach furchtbar und ein Grund, warum ich NIE Kinder wollen würde. Angefangen damit, dass sie sich gegenseitig an der Haltestelle auf die Straße, in den Verkehr schubsen, gehen sie auch beim Kampf um Sitzplätze genauso vor. Nur da nicht nur gegen ihre 'Freunde', sondern auch gegen Erwachsene (mich) und sogar alte Omas. Dan brüllen sie durch den ganzen Bus - damit kann man aber noch leben, wenn der MP3-Player nicht gerade den Geist aufgegeben hat. Sie schmeißen ihre Rucksäcke durch die Gegend, LEHNEN sich an die Haltestangen, so dass kein anderer sich daran festhalten kann und schließlich erlebt man immer öfter, wie sie sich gegenseitig hauen und beißen. Richtig beißen, bis Blut kommt.

    Was ich damit sagen will, ist, dass offenbar in der Mehrheit der Bevölkerung Erziehung kein Thema mehr ist, es an überforderte Kindergärtnerinnen abgewälzt wird, als wäre eine Person, die 20 Kinder beaufsichtigt, mehr dazu in der Lage, als ein Elternteil, das nur ein Kind erziehen muss. Oder aber unser Erziehungssystem versagt einfach komplett. Natürlich gibt es Ausnahmen. Leute, die sich wirklich Mühe geben, und da bin ich froh drüber. Aber sie scheinen mir zu selten zu werden.

    Wenn ich aber irgendwas für mich ausmachen müsste, was gute Erziehung ausmacht, dann folgendes:

    - Erziehung zur Rücksicht. Sobald ein Kind alt genug ist, gesellschaftliche Regeln zu verstehen, sollte es sie lernen. Sanft, immer nur wieder darauf hinweisen, aber eben hinweisen. Das gilt auch für die Mittags- und Abendruhe. Ich weiß, Kinderlärm gilt nicht als Ruhestörung, aber das finde ich ab einem gewissen Alter von 4-5 aufwärts eher kontraproduktiv, denn wenn ein Kind lernt, dass es bis 14 oder gar 18 keine Regeln zu beachten hat, wird es sie auch später ignorieren. Ein Kleinkind kann nicht koordinieren, wann es schreit, das ist klar. Aber ein Kind, mit dem man sich schon argumentativ auseinandersetzen kann, sollte so etwas lernen.

    - Toleranz. So früh wie möglich mit so vielen Lebensweisen wie möglich in Kontakt bringen, aber besser nur in sicherem Umfeld. Nicht die Unschuld zerstören. Der Weihnachtsmann, der Osterhase und der Storch dürfen gern noch länger in der Fantasie des Kindes existieren. Aber zum Beispiel mal zu Sommerfesten bei einem Haus der Kulturen gehen und zeigen, dass nicht alle Menschen weiß und christlich sind, wird das Kind zu einem besseren, toleranteren Menschen werden lassen, denke ich.

    - Je nach Kind: Tagesschau und Star Trek. Ich bin damit aufgewachsen und so habe ich mich schon in jungen Jahren fürs Weltgeschehen und für Politik interessiert und bin mit dem Grundsatz aufgewachsen 'Das Wohl von vielen wiegt schwerer als das Wohl von wenigen oder eines Einzelnen'. Da hängt es aber davon ab, ob das Kind eine belastbare Psyche hat, denke ich. Es nützt nichts, wenn es davon Albträume kriegt. Aber ich glaube, wenn es das verkraftet, wird es dadurch zu einem besseren Menschen werden. Zumindest rede ich mir ein, dass ICH dadurch zu der wurde, die ich heute bin - oder zumindest, dass das die positiven Aspekte meines Charakters geformt hat. Woher die Negativen kommen, habe ich noch nicht ergründet. Vielleicht, weil mir in der Sesamstraße immer Rumpel am Liebsten war, ein Griesgram, der im Müll lebt :D.

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    1. Hey,

      vielen Dank für deine interessante Antwort. Ich finde es immer spannend, wie Erziehung "von außen" betrachtet und verstanden wird.
      Ich glaube auch, dass sehr wichtig ist, was die Eltern den Kindern vorleben. Solche Dinge wie Toleranz oder gute Manieren müssen meiner Meinung nach nicht anerzogen werden, wenn Eltern dies vorleben. Dann ist es für ein Kind selbstverständlich.
      Ich war übrigens eins der Alptraum Kinder und sogar zu schwach für Logo, die Kindernachrichten :D Trotzdem habe ich mich immer für Politik und Weltgeschehen interessiert, eben weil das in meiner Familie auch Thema war. Ich hoffe, ich kann das auch so an meine Tochter weitergeben. Ebenso wie die Leidenschaft für Bücher versteht sich ;)
      Liebe Grüße
      Nanni

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  3. Wirklich ein schöner Beitrag, Nanni, der mich gerade nochmal zum Nachdenken angeregt hat. Insbesondere die Grundbedürfnisse des Kindes. Auch meine schwierigen Schüler wollen ja eigentlich nur diese erfüllen: Liebe, Aufmerksamkeit und Sicherheit durch Grenzen. Ich glaube, dass es wichtig ist, sich das immer wieder ins Bewusstsein zu holen. Dann kann man mit entstehenden Konflikten einfach auch konstruktiver umgehen.

    :*

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    1. Freut mich, dass er dir gefällt :*
      Ja letztendlich stehen hinter jedem handeln ja Gründe. Allerdings fehlt in der Praxis natürlich auch die Zeit vor jeder Reaktion darüber nachzudenken ;)

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