31.03.18

Dumplin'. Go big or go home | Julie Murphy





Willowdean – „16, Dolly-Parton-Verehrerin und die Dicke vom Dienst“ – wird von ihrer Mutter immer nur Dumplin' genannt. Bisher hat sie sich in ihrem Körper eigentlich immer wohl gefühlt. Sie ist eben dick – na und? Mit ihrer besten Freundin Ellen an ihrer Seite ist das sowieso total egal. 
Doch dann lernt sie den sportlichen und unfassbar attraktiven Bo kennen. Kein Wunder, dass sie sich hoffnungslos in ihn verknallt – dass er sie allerdings aus heiterem Himmel küsst, verunsichert sie völlig. Plötzlich macht es ihr doch etwas aus, nicht schlank zu sein. 
Um ihre Selbstzweifel in den Griff zu bekommen, beschließt Will, sich der furchteinflößendsten Herausforderung in ganz Clover City zu stellen: Sie will am „Miss Teen Blue Bonnet“-Schönheitswettbewerb teilnehmen und allen – vor allem sich selbst – beweisen, dass die Kleidergröße für das ganz große Glück überhaupt keine Rolle spielt. 
„Badeanzüge haben so etwas an sich, das einen denken lässt, man müsste sich erst das Recht verdienen, sie zu tragen. Aber eigentlich ist doch die entscheidende Frage:
Hast du einen Körper?
Dann zieh ihm einen Badeanzug an.“
(Text & Cover: © S. Fischer; Foto: © N. Eppner)


Willowdean ist dick. Zumindest dicker, als viele ihrer Mitschüler. Damit entspricht sie nicht der gewünschten Schönheitsnorm und das als Tochter einer ehemaligen "Miss Teen Blue Bonnet" und Organisatorin des jährlichen Schönheitswettbewerbs. Für Willowdean eins der Päckchen, die sie zu tragen hat. Hinzu kommt, dass ihre Freundin El das hübscheste Mädchen der Stadt ist und Bo, ein ziemlich heißer Typ, mit ihr knutschen möchte. Wie soll sie das mit ihrem Selbstbewusstsein und ihrer eigenen Wahrnehmung ihres Körpers vereinbaren? Mit einer Teilnahme am Schönheitswettbewerb möchte sie sich selbst und ihren Mitmenschen zeigen, dass Schönheit keinesfalls eine Frage des Körperumfangs ist. Und tritt damit eine Art Revolution los, die ungeahnte Folgen hat...


"Perfektion ist nur ein flüchtiges Phantom, dem wir alle hinterherjagen." (S. 228)

Wie die Figuren der Geschichte ist der Roman sehr liebenswert, aber eine Story mit Ecken und Kanten und ich weiß gar nicht so genau, wo ich beginnen soll. Vielleicht starte ich einfach mal mit der Verwirrung, die Wills Fokussierung auf ihren Körper bei mir ausgelöst hat. Mir selbst ist es egal, ob mein Gegenüber dick, dünn, groß, klein, schief oder gerade ist und so hat es mich etwas irritiert, wie sehr Willowdean, die ich mir im Vorfeld als sehr selbstbewusste Protagonistin vorgestellt habe, ihren Körper in den Vordergrund rückt und sich selbst immer wieder darauf reduziert.

Manchmal hat es mich sogar ein bisschen genervt, aber da die Autorin selbst etwas fülliger ist, gehe ich mal davon aus, dass sie weiß, wovon sie redet. Letztendlich geht es ihr auch darum aufzuzeigen, wie Willowdean den Weg in ein selbstbewussteres Leben schafft. Diese Darstellung ist ihr auf wirklich eindringliche und unterhaltsame Weise gelungen. Dass Willowdean dabei manchmal etwas unfair vorgeht und nicht nur nett vorgeht, hat mich ein bisschen gestört, macht sie aber auch authentischer.


"Wenn man verstehen will, wer man ist, gehört es manchmal dazu, sich klarzumachen, dass wir aus einem Mosaik von Erfahrungen bestehen. Ich bin Dumpli'. Und Will und Willowdean. Ich bin dick. Ich bin glücklich. Ich bin unsicher. Ich traue mich alles." (S. 390)

Ich habe das Gefühl, dass Julie Murphy mir sagen möchte, dass es völlig egal ist, wie andere uns sehen - Wahrnehmungen sind ja sowieso immer unterschiedlich und Geschmäcker eh - wichtig ist nur, wie sehr wir selbst uns mögen und akzeptieren. Gibt es jedoch etwas, das uns an uns selbst stört, dann ist es an uns, das zu ändern und nicht nur von den anderen zu erwarten uns anderes wahrzunehmen. Das hat für mich sehr viel mehr mit Selbstliebe und Selbstakzeptanz zu tun, als mit Toleranz der Anderen und beschränkt sich nicht auf Äußerlichkeiten.

Und genau das machen diese großartigen Figuren in "Dumplin'". Sie stecken nicht den Kopf in den Sand und warten darauf, dass sich etwas ändert, sondern kämpfen. Stehen für sich ein.

Und irgendwie sind wir uns doch auch alle ähnlicher, als wir denken. Egal, welche Kleidergröße wir tragen. Unsicherheit kennt jeder von uns. Aber Ängste lassen sich nur überwinden, wenn wir versuchen diesen Berg zu erklimmen.


"Es ist ziemlich beruhigend zu wissen, dass es für jeden Menschen, der darauf wartet, gefunden zu werden, dort draußen jemanden gibt, der nach ihm sucht." (S. 368)

Neben einem Plädoyer über mehr Mut, Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen, findet man in "Dumplin'" eine Geschichte über erste Liebe und Freundschaft. Auch in diesen Bereichen ist Willowdeans Weg eher steinig, aber es macht mir Freude sie dabei zu begleiten, wie sie sich mehr und mehr zutraut. Das Leben läuft nun mal nicht rund, aber es ist an uns das Schöne darin zu sehen und nicht zu fokussieren, was Probleme bereitet. 

Trotz einiger kleiner Kritikpunkte, erhält "Dumplin'" eine Leseempfehlung und findet hoffentlich viele LeserInnen.



Buchinfo:

Fischer FJB (2018)
400 Seiten
Hardcover
18,99 €
ÜBERSETZUNG: Katrin Stier

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Rezension: © 2018, Nanni Eppner

27.03.18

Der Drachenjäger: Die erste Reise ins Wolkenmeer | Bernd Perplies




Mit der ersten Reise ins Wolkenmeer führt Bernd Perplies seine Leser an die raue Südküste einer mittelalterlichen Fantasywelt. ›Der Drachenjäger‹ ist ein Abenteuerroman, der in einer atemberaubenden Landschaft aus Nebelmeeren und Hochplateaus spielt – die von jeder Menge Drachen bevölkert wird …
In der Stadt Skargakar, an den Gestaden des geheimnisvollen Wolkenmeeres, leben die Bewohner von der Jagd auf Drachen, die es in den dunstig weißen Weiten jenseits der großen Klippe in schier endloser Zahl gibt. Auch Lian trägt seinen Teil bei. Als Kristallschleifer verarbeitet er magische Kyrilliane, die die Flugschiffe der Jäger in die Lüfte heben. Eines Tages jedoch macht sich Lian einen gefährlichen Mann zum Feind und ist gezwungen, aus Skargakar zu fliehen. In seiner Verzweiflung heuert er auf dem erstbesten Flugschiff an, dessen Kapitän ihn mitnimmt. Ein Fehler, wie sich bald herausstellt: Denn Adaron, der fanatische Kapitän der Carryola, jagt nicht irgendwelche Drachen. Sein Ziel ist der Urdrache Garganthuan selbst, ein Geschöpf der Legenden – und er ist bereit, für diese Jagd alles zu opfern.
(Text & Cover: © Fischer Tor; Foto: © N. Eppner)


Bernd Perplies ist einer der deutschen Fantasyautoren, die schon lange auf meiner To-Read-Liste stehen. Endlich hat er den Sprung von dort auf die Must-Read-Liste geschafft. Auch wenn ich einige kleine Kritikpunkte an seinem Roman habe, konnte er mich letztlich so weit überzeugen, dass ich auf jeden Fall zu weiteren Büchern aus seiner Feder greifen werde.

Der Einstieg ins Buch fiel mir etwas schwer. Gefühlt erzählt Perplies am Anfang ziemlich viel und doch wenig. Eine Art Vorgeschichte, die von der Handlung her zwar spannend ist, die er aber gerne um einige Wörter hätte kürzen können. 

Dann beginnt die eigentliche Geschichte. Im Mittelpunkt steht Lian, Kristallschleifer, Sohn eines ehemaligen Drachenjägers und aktuellen Säufers. Lian hatte bisher keine Ambitionen ebenfalls auf Drachenjagd zu gehen, doch dann tötet er den Sohn eines echt üblen Kerls und die Flucht auf ein Drachenjägerschiff scheint ihm die einzige Möglichkeit zu überleben. Ein naiver Gedanke, denn die Drachenjagd ist alles andere als ungefährlich. Vor allem dann nicht, wenn man mit dem vom Tod des mächtigen Urdrachen besessenen Adaron unterwegs ist.

Perplies ist ein geübter Weltenbauer und so gelingt es ihm mühelos Vogelwesen, Menschen, Drachen und weitere Fabelwesen unter einen Hut zu bringen und diese dann auch noch so realistisch zu gestalten, dass ich das Gefühl nicht loswerde, sie könnten auch unter uns leben. Selbst Fantasielose Leser werden sich hier mühelos zurecht finden, denn Perplies Schreibe ist bildhaft und lebendig.

Sprachlich macht Perplies keine großen Sprünge, aber er versteht es seine Leser zu unterhalten. Schnell fliegt man durch die Seiten und liest diese einfach wirklich gern. Egal, ob es sich dabei um eine Kampfszene handelt, einen Dialog zwischen sympathischen (oder fiesen) Charakteren oder eine Reiseroute durchs Wolkenmeer. 

Indirekt stellt er mir die Frage, ob es nicht immer mehrere Perspektiven einer Aussage gibt und ob tatsächlich diejenigen im Recht sind, die dieses für sich beanspruchen oder ob man nicht doch lieber altbewährte Traditionen hinterfragen sollte. Mit diesem Gewissenskonflikt endet der erste Teil der Wolkenmeer-Reihe und schürt damit die Spannung auf Teil zwei "Der Weltenfinder: Die zweite Reise ins Wolkenmeer" (voraussichtlicher ET: 23. Mai 2018). Die Bücher spielen allerdings nur im selben Setting und haben inhaltlich keine Verbindung.


Buchinfo:

Fischer TOR (2017)
496 Seiten
Taschenbuch 
9,99 €

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24.03.18

24. März #Indiebookday


(Foto: © Indibookday.de)




Heute ist #Indiebookday.

Was bedeutet das? 

Am heutigen Tag bekommen die unabhängigen Verlage besonders viel Aufmerksamkeit. 

2013 wurde der Indiebookday vom Mairisch Verlag ins Leben gerufen. Ein voller Erfolg, dem sich 2014 auch andere Länder anschlossen. Eine Liste unabhängiger Verlage findest du hier. Diese sind nicht auf das Genre der Belletristik begrenzt, sondern veröffentlichen quer durch die Genres einfach alles.

Wie läuft der Indiebookday ab?

Gehe in deine (Lieblings-) Buchhandlung und kaufe ein (oder mehrere) Buch aus einem unabhängigen Verlag. Poste ein Bild deiner Ausbeute in den Sozialen Netzwerken unter dem Häschtägg #Indiebookday, um so ein klein wenig Werbung für die unabhängigen Verlage zu machen und um dich mit Gleichgesinnten über unser liebstes Thema auszutauschen.

Sollte nicht jeder Tag Indiebookday sein?

Natürlich wäre es schön, wenn du dadurch Gefallen an Programmen der unabhängigen Verlage findest und viel öfter zu einem Buch aus einem dieser Verlage greifst. Nicht jede Buchhandlung hat diese umfassenden in der Auslage, aber Nachfrage bestimmt das Angebot und den Service Bücher für dich zu bestellen, bietet jede Buchhandlung.

Können wir nicht gemeinsam mehr Indiebooks lesen?

Ja, auf jeden Fall. Deshalb wurde auch die #Indiebookchallenge (#ibc) ins Leben gerufen. Die Teilnahme ist völlig unverbindlich und kann frei nach Zeit, Lust und Laune gestaltet werden. Indiebooktipps findest du jederzeit auf We read Indie.


Hier sind meine neuen Indiebooks:


(Foto: © N. Eppner)


"Sag den Wölfen, ich bin Zuhause" | Carol Rifka Brunt | Eisele Verlag


New York, 1987: Eigentlich gibt es nur einen Menschen, der June Elbus je verstanden hat, und das ist ihr Onkel Finn Weiss, ein berühmter Maler. Als Finn viel zu jung an einer Krankheit stirbt, deren Namen ihre Mutter kaum auszusprechen wagt, steht in Junes Leben kein Stein mehr auf dem anderen. Auf Finns Beerdigung bemerkt June einen scheuen jungen Mann, und ein paar Tage später bekommt sie ein Päckchen. Darin befindet sich die Teekanne aus Finns Apartment – und eine Nachricht von Toby, dem Fremden. Wer ist dieser Mann, der behauptet, Finn ebenso gut zu kennen wie June selbst? Zunächst ist June misstrauisch, doch dann beginnt sie sich heimlich mit Toby zu treffen, und sie erfährt, dass es gegen Trauer ein Heilmittel gibt: Freundschaft und Zusammenhalt. (Quelle: Eisele)

Thema Freundschaft, Verlust und Hoffnung auf sehr berührende und tief bewegende Art und Weise umgesetzt - klingt sehr nach einem Buch für mich. Außerdem hat die liebe Sandy eine große Empfehlung für das Buch ausgesprochen und ihre Tipps haben mich schon mehrfach begeistert.



"Wir hier draussen" | Andrea Hejlskov | Mairisch Verlag


Andrea Hejlskov ist sich sicher: So kann es nicht weitergehen. Sie und ihr Mann sehen in den täglichen Mühen der Arbeit keinen Sinn mehr, die Kinder sitzen nur noch in ihren Zimmern vor den Computern, wirkliche Unterhaltungen finden kaum noch statt. Ihnen ist klar: Das ist nicht das Leben, das sie führen wollen. Sie entscheiden sich, alles grundlegend zu ändern und nach dem zu suchen, was wirklich zählt. Und sie wollen sie raus in die Natur, weg von der Zivilisation mit ihren Anforderungen und Eingrenzungen. Als ihnen eine Hütte in einem Waldstück in Schweden angeboten wird, wird auf einmal alles sehr real.

Doch die Familie muss die grundlegendsten Dinge des täglichen Lebens neu lernen, etwa wie man Holz hackt, eine Blockhütte baut, im Freien kocht, wie man sich verhält, wenn jemand sich verletzt oder krank wird. Manchmal sind die Probleme kaum zu bewältigen, manchmal denken die Eltern ans Aufgeben, manchmal machen die Abenteuer auch großen Spaß.

Mit bemerkenswerter Ehrlichkeit berichtet die dänische Autorin Andrea Hejlskov von einem radikalen Entschluss – einem wahnwitzigen Aufbruch ins Grüne, aber eben auch ins Ungewisse. Es ist die Geschichte einer Familie, die ihr Leben radikal verändert – und dadurch ganz neu zusammenfindet.
(Quelle: Mairisch Verlag)

Ein Leben im Wald, fernab von Konventionen, Zeitraubenden Aktivitäten und Stress. Im Einklang mit der Natur. Für mich Waldmädchen ein Traum. Ob ich mich da mal nicht in romantischen Vorstellungen verliere, die mit der Realität nichts zu tun haben? Ich bin gespannt, was Andrea Hejslkov berichtet. Aufmerksam wurde ich auf das Buch durch die Empfehlung in der Literarischen Herbstlese des Buchladen am Freiheitsplatz.



"Dunkelgrün fast Schwarz" | Mareike Fallwickl | Frankfurter Verlagsanstalt


Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht. Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht. (Quelle: Frankfurter Verlagsanstalt)

"Dunkelgrün fast Schwarz" ist DAS Indiebuch des Frühjahrs. Gefühlt kommt man einfach nicht daran vorbei. Da ich Mareikes Blog Bücherwurmloch schon seit Jahren sehr gerne lese und ihren Schreibstil, sowie ihr direktes Mundwerk sehr gerne mag, ist das Buch für mich ein absolutes Must Read.



"Zweet" | Marit Kaldhol | Mixtvision


Als der Giftgas-Alarm losgeht, wird die Schule von Lill-Miriam, Susan und Ruben evakuiert. Jeder der drei Schüler erlebt die dramatische Situation auf seine eigene Weise. Lill-Miriam versteckt sich auf dem Dachboden und flüchtet sich in die Welt der Bienen, die sie fasziniert und begeistert. Susan kann nicht vergessen, was sie und andere Mitschüler Lill-Miriam vor einem Jahr angetan haben. Ruben erzählt von der sanften ersten Liebe, die sich zwischen ihm und Lill-Miriam entwickelt hat. Doch keiner weiß, wo das Mädchen steckt. Und sie traut sich nicht, ihr Versteck zu verlassen …

Marit Kaldhol erzählt auf beeindruckende Weise und mit viel Hintergrundwissen eine Geschichte über Anderssein, Mobbing und die erste Liebe. (Quelle: Mixtvision)

Die Auswahl der unabhängigen Verlage, die Kinder- oder Jugendbücher verlegen ist tatsächlich etwas geringer, als die der Verlage, die bspw. Belletristik vertreiben. Dennoch gibt es sie und häufig mit einem wirklich feinen Programm. Beim Mixtvision Verlag könnte ich fast blind zugreifen. Feine, ausgewählte Erzählungen mit viel Klasse, Tiefgang und hohem Unterhaltungswert. Nicht über literarisch, sondern auf den Punkt.


Feierst du mit? Wird ein Indiebook in deinem Regal einziehen? Wenn ja, welches?



20.03.18

Was vom Sommer übrig ist | Tamara Bach




In diesem Sommer stimmt nichts für Louise. Die Eltern sind ihr noch fremder als sowieso schon und die Klassenkameraden auch, vor allem seit der Sache mit Paul. Und ihr eigentlich so guter Plan, den Job beim Ampelbäcker und das Zeitungsaustragen so einzurichten, dass sie die Fahrstunden schnell abhaken kann, scheitert in der Praxis kläglich. Vielleicht hätte sie zumindest ihrer Oma nicht noch versprechen sollen, auf ihren kurzatmigen Hund Bonnie aufzupassen.
Und dann ist da Jana, die mitten im Hochsommer auf einem Stromkasten sitzt und einen dieser kleinen, eingeschweißten Schokokuchen isst. Und die Louise auf einmal wie ein Schatten folgt, fast so, als erwarte sie von Louise, dass sie ihr zeigt, wie man lebt.
(Text & Cover: © Carlsen; Foto: © N. Eppner)


Tamara Bachs Schreibe ist sehr eigensinnig. Sie nutzt eine sehr reduzierte, ausdrucksstarke Sprache, die sich an keinerlei Konventionen stört und Brücken schlägt zwischen mehreren Gedankengängen und Grammatik. 

Ihre Sätze sind nicht linear, sondern rund und dadurch entsteht die Möglichkeit diese aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Sie setzt keinen Fokus in Form von "So isses und genau so sollst du LeserIn das verstehen", sondern lässt Spielraum. Freiheiten das in ihren Worten zu lesen, was aufgrund eigener Erfahrungen oder aus dem eigenen spielerischen oder auch engmaschigen Denken ausgelöst wird. 

Sie nutzt Sprache nicht nur, um eine Geschichte aufzuschreiben, um Handlungen aneinanderzureihen, sondern vor allem auch, um eine Tiefe in ihren Figuren aufzubauen, um diese entsprechend zu charakterisieren.

Da ist zum Beispiel die 17-jährige Louise, die sehr konservativ aufwächst, deren Leben in geordneten Bahnen verläuft, deren Leben so geregelt ist, dass es fremdbestimmt wirkt. Fremdbestimmt durch Ansprüche der Eltern, durch eigene Ansprüche, durch einen Weg, den sie irgendwann eingeschlagen hat und von dem sie nun nicht mehr abweichen kann. Tamara Bach nutzt für Louises Situation häufig die Perspektive der dritten Person. Man spricht über Louise, aber nicht mit ihr? Hat sie überhaupt noch eine eigene Meinung?

Im Gegensatz dazu ist Janas Leben ziemlich kontrovers. Sie würde sich wünschen, dass ihre Eltern ihr mehr Beachtung schenken, doch alles dreht sich um ihren Bruder, der auf der Intensivstation liegt und unbewusst soviel Aufmerksamkeit fordert, dass für Jana nichts mehr übrig bleibt. Sie geht gerade ziemlich allein durchs Leben, versucht irgendwo Halt zu finden, anzuhalten, was unaufhaltbar ist. Leider sucht sie sich die falschen Anker und bleibt trotz aller Versuche gesehen zu werden genau so unsichtbar wie Louise. 

Den Titel "Was vom Sommer übrig ist" finde ich extrem passend, denn genau darum geht es letztendlich im Leben von Lousie und Jana. Sie sollten sich nicht damit auseinandersetzen müssen, wie sie dem Zahnrad der Konventionen entkommen, und auch nicht damit wie sie dringend notwendige Aufmerksamkeit bekommen können, sondern einfach - wie es sich für Teenager gehört - den Sommer genießen. Zeit mit Freunden verbringen, auch mal über die Stränge schlagen, verrückte Dinge tun und von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang wach bleiben. Ob ihnen das noch gelingen wird? Sommer ist immer das, was du daraus machst. Und der Verlauf deines Lebens liegt in deiner Hand. 


Buchinfo:

Carlsen (2012)
144 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
12,99 €
Taschenbuch 
6,99 €

Weitere Rezensionen:


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Rezension © 2018, Nanni Eppner

18.03.18

Osterzeit ist Hasenzeit - Bilderbuchtipps fürs Osternest










"Frohe Ostern! Verse und Lieder rund um Frühling und Ostern" | Christine Georg


Fröhliche Verse und Lieder, Rätsel und Reime rund um die Oster- und Frühlingszeit. Kurz und prägnant, liebevoll und Kindgerecht bebildert, ist das robuste Pappbilderbuch ein bunter Begleiter durch die Osterzeit.

arsEdition | ab 18 Monaten | 7,99 €







"Auweiowei, wo ist mein Ei?" | Anna Karina Birkenstock & Maya Geis


"Die Henne ist ganz aufgeregt.
'Ich glaub, ich hab mein Ei verlegt!
Das Nest, in dem es immer war,
das ist jetzt leer - wie sonderbar!'"

Das Ei der Henne ist plötzlich verschwunden? Wo kann es nur sein? Alle Bauernhoftiere packen mit an und helfen suchen. Scheinbar wie von Zauberhand taucht es wieder auf und ist bunt angemalt. Wie kann das denn nur sein?

In kurzen, harmonischen Texten schreibt Maya Geis eine witzige Geschichte zum Thema Ostern. Anna Karina Birkenstock hat diese sehr liebevoll mit vielen herzlichen Details illustriert. Ein kleines, feines Pappbilderbuch, das Gesprächsstoff zur Legende Osterhase bietet.

Carlsen | ab 2 Jahren | 5,99 €







"Nur noch kurz die Ohren kraulen?" | Jörg Mühle


"Nur noch kurz die Ohren kraulen?" ist das Lieblingsbuch meiner Tochter. Noch bevor ich den Text vorlesen kann, weiß sie schon genau welche Aufgabe von ihr verlangt wird, denn dieses herzige Hasenbuch ist ein Mitmachbuch.

Für mich ist es eins der schönsten Einschlafrituale, die ich kenne. Allabendlich bringe ich nicht nur mein Kind zu Bett, sondern mit ihr gemeinsam auch den kleinen Hasen, der dank ihres Hände klatschens seinen Schlafanzug anzieht und sich vorm Einschlafen ganz liebevoll die Ohren kraulen lässt. 

Natürlich keine Einschlafgarantie, aber sicher eine ganz, ganz tolle Einschlafverschönerung (wir nutzen das robuste Pappbilderbuch übrigens schon seit dem etwa 18. Lebensmonat, nicht erst seit dem 24. ;))

Moritz | ab 2 Jahren | 8,95 €









"Meine Freundin Conni: Conni und der Osterhase" | Liane Schneider & Eva Wenzel-Bürger


In der Reihe "Meine Freundin Conni" werden Themen aus dem Alltag so aufgegriffen, dass sie für Kinder leicht verständlich sind, einen spielerischen Lerneffekt und einen hohen Wiedererkennungswert haben. In "Conni und der Osterhase" dreht sich - na klar! - alles ums Thema Ostern.

Von einer spannenden Suchgeschichte über das Erleben österlicher Traditionen bis hin zu Ideen wie die Osterzeit gestaltet werden könnte, ist alles dabei. 

Als besonderes Extra gehört zu diesem lebendig und lebensnah gestalteten Pappbilderbuch eine kleine Osterhasenfingerpuppe, die von den erwachsenen Vorlesern wunderbar als Erzähler eingesetzt oder einfach nur so zum Spielen benutzt werden kann.

Carlsen | ab 2 Jahren | 9,99 €







"Hasentage" | Daphne Louter 


"Hasentage" ist nicht nur ein Schätzchen für Kinder, sondern ein echtes Augenschmankerl für Erwachsene. Fast viktorianisch anmutende Illustrationen, die ein wenig an "Die Hasenschule" oder "Der Wind in den Weiden" erinnern, sind das Herzstück diesen wirklich feinen Bilderbuchs.

Wir begleiten die beiden Hasengeschwister einen ganzen Tag lang. Vom Aufstehen über tägliche Erledigungen, Spiel und Spaß, bis hin zum ins Bett gehen. 

Text gibt es keinen, aber wer braucht den schon, wenn solch wundervolle Bilder zum Träumen und Erzählen einladen? Gemeinsam mit dem Nachwuchs gibt es viel zu entdecken. Wer hat wohl die spannendsten und fantasievollsten, wer die emotionalsten, wer die herzlichsten Ideen zu den Illustrationen der Niederländerin Daphne Louter, die ein wunderschönes Debüt erschaffen hat.

Sauerländer | ab 3 Jahre | 14,99 €






15.03.18

Die Geheimnisse der Klingenwelt: Seelenspalter | Ju Honisch




Düster, intensiv, geheimnisvoll: "Seelenspalter" ist atemberaubende Assassinen-Fantasy von der mehrfach preisgekrönten Autorin Ju Honisch
Nur die Starken überleben in den Acht Reichen, die miteinander in einem endlosen Krieg um die Vorherrschaft liegen. Das begreift Maleni sehr schnell, als sie nach einem Massaker, dem ihr ganzes Dorf zum Opfer fällt, Aufnahme beim Orden der Xyi findet. Unerbittlicher Drill und ein geheimnisvolles Ritual lassen einen Teil von Maleni zur Assassinin Taryah werden, die ohne Mitleid zu empfinden oder Fragen zu stellen ihrem blutigen Handwerk nachgeht. Doch weder in den Acht Reichen noch beim Orden der Xyi sind die Dinge so einfach, wie sie scheinen. Und eines Tages muss Maleni erkennen, dass Taryah nicht nur ein Teil von ihr ist – sondern ihr größter Feind.
(Text & Cover: © Droemer Knaur; © N. Eppner)

Von Autorin Ju Honisch, Gewinnerin des Phantastik Preises Seraph, hatte ich schon so viel Gutes gehört, dass ich auch unbedingt ein Buch von ihr lesen wollte. Mit "Seelenspalter" ist mir das nun endlich gelungen. 

Maleni wird Zeugin von Gewalt. Ihre Familie wird vergewaltigt, blutig niedergeschlagen und ermordet. Schatten, die sich über Malenis Seele legen. Im Orden der Xyi findet sie Zuflucht und die Möglichkeit all die düsteren Träume hinter sich zu lassen. Dort wird sie zu Taryah, der Assassini.

Taryah ist mehr, als ihre neue Identität, denn Taryah nimmt einen Teil von Malenis Seele ein. Sie beherrscht ihre Gedanken, verdrängt das, was einmal war und lässt sie kaltblütiger werden, als sie eigentlich ist.

Dieser Aspekt der Geschichte gefällt mir besonders gut, da er Assoziationen zu Traumapatienten aufwirft. Gefühle, Gedanken, die Erinnerungen an schlimme Erlebnisse werden verdrängt. Nicht selten entwickelt sich eine zweite Persönlichkeit, die den Platz der eigentlichen Person einnimmt und die all diese Dinge nicht durchgemacht hat. Schizophrene Persönlichkeitsspaltung.

Das ist auch das, was im Grunde mit Maleni passiert. Erst nach und nach bemerkt sie, dass ihr Taryah gar nicht gut tut. Dass sie sich dem stellen muss, was geschehen ist, um die Maleni zu sein, die sie eigentlich ist. Dass auch sie erstaunliches leisten kann, stark und eine wertvolle Persönlichkeit ist.

Diese interessante Grundidee setzt Ju Honisch in ein spannendes Abenteuer voller überraschender Handlungen und gut konzipierter Figuren. 

Mit der Schreibe der Autorin hadere ich noch ein wenig. Auf der einen Seite gefällt sie mir sehr gut, ist auf einem sprachlich sehr hohen Niveau und auch so gewählt, dass ich das Gefühl habe mich in einer anderen Welt, einer anderen Zeit zu befinden, aber hier und da ist sie ein wenig zu dramatisch, zu ausschweifend und zu beschreibend. Gefühlt hätte man einige Sätze streichen können und immer noch ausreichend Informationen und Zugang zur Geschichte gehabt.

Alles in Allem ist "Seelenspalter" ein spannender und interessant ausgearbeiteter Fantasyroman, der in sich abgeschlossen ist. Ab dem 02. Mai 2018 gibt es in "Blutfelsen" ein Wiedersehen mit der Klingenwelt.


Buchinfo:

Droemer Knaur (März 2017)
816 Seiten
Klappenbroschur
12,99 €

Weitere Rezensionen:


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09.03.18

Julie Jewels 01: Perlenschein und Wahrheitszauber | Marion Meister | Hörbuch gesprochen von Nana Spier




Julie zaubert Träume wahr: mit magischem Schmuck! 
Ein mysteriöses Geburtstagsgeschenk stellt Julies Leben völlig auf den Kopf: Durch eine Schatulle voller Schmucksteine entdeckt sie ihre magische Begabung. Julie kann Wünsche wahr werden lassen! Einmal der Star der Schule sein, den Jungen ihrer Träume für sich gewinnen … die Möglichkeiten sind grenzenlos! Doch schnell wird klar: Die Magie hat nicht nur gute Seiten, und jeder Wunsch kann verhängnisvolle Folgen haben. Denn will man wirklich von der besten Freundin die reine Wahrheit hören und nichts als die Wahrheit? Und ist erzauberte Liebe noch echte Liebe?
(Text & Cover: © S. Fischer Verlage; Foto: © N. Eppner)


Seit Jahren schon besteht kein Kontakt zu Julies Großmutter. Dass nun ausgerechnet Julie ein Päckchen von ihr bekommt, ist sehr verwunderlich. Auch Julie kann sich nicht erklären, warum ausgerechnet ihr 16. Geburtstag Anlass für eine Kontaktaufnahme sein soll und woher Daria weiß, dass Julies große Leidenschaft das Herstellen für Schmuck ist. Denn in dem geheimnisvollen Paket ist eine Schatulle voller wundervoller Schmucksteine. 

Schnell bemerkt Julie, dass diese Schmucksteine eine magische Wirkung haben und ist völlig fasziniert davon, was sie damit bewirken kann. Das ist ihre Chance aus ihrem Bruder "Muffel Mike" einen coolen großen Bruder zu machen und ihrem Schwarm Noah zu beweisen, dass er ihr Seelenpartner ist. Natürlich verlaufen erste Zauberversuche nicht ohne Pleiten und Pannen und vor allem Julies Mutter ist überhaupt nicht begeistert von der neuen Leidenschaft ihrer Tochter. Es kommt zu einem Streit, der tagelanges Schweigen nach sich zieht. Warum nur? Gönnt Julies Mutter der 16-Jährigen etwa nicht dank des Schmucks Erfolg zu haben?

Marion Meister hat eine zauberhaft, niedliche Geschichte geschrieben, in der die Probleme einer 16-jährigen in ein magisches Licht gerückt werden. Von Generationenkonflikt über Stress mit den besten Freunden bis hin zur ersten großen Verliebtheit wird alles thematisiert. 


Das Buch hat die Optik einer Schmuckschatulle


Im Mittelpunkt steht Julie, ein sympathisches junges Mädchen, das in meinen Augen noch recht kindlich wirkt, was ich persönlich im Real Life vielen 16-jährigen wünsche, was aber sicher dazu führen wird, dass sich nur wenige Mädchen in diesem Alter mit der Protagonistin identifizieren können. Ich glaube, dass die Geschichte am ehesten Mädchen im Alter von 13 / 14 Jahren anspricht.

Der Roman beginnt eher ruhig und vorhersehbar, nimmt dann jedoch an Fahrt auf. Julie gerät immer mehr in das Chaos ihrer Zauberei. Die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche zieht ihre Freunde mit in unverhoffte Schwierigkeiten. Vielleicht hat ihre Mutter doch Recht und Zauberei ist nicht wirklich gut. Aber Julie hat ja nichts Böses im Sinn und irgendeinen Grund muss es doch dafür geben, dass ausgerechnet sie über solche Fähigkeiten verfügt.

Das Ende des ersten Bandes bleibt offen. Ihre Zauberei spitzt sich zu und bevor das Geheimnis der magischen Fähigkeiten aufgeklärt werden kann, endet der Beginn der Trilogie um Schmuckmagierin Julie mit einem kleinen Cliffhanger, der verspricht, dass es chaotisch weitergehen wird.

Das Hörbuch hat ein Extra-Sternchen verdient, denn Sprecherin Nana Spier erledigt ihren Job wirklich großartig. Sie ist ein Grund dafür, dass ich mich für ein Hörbuch entscheide, denn sie kann einfach hervorragend mit ihrer Stimme spielen. Sie füllt ihre Charaktere mit Leben, springt problemlos zwischen Freude und Dramatik, zwischen Laut und Leise, zwischen humorvoll und ernst und schafft es immer ihre Hörer mitzunehmen.



Buchinfo:

S. Fischer Verlage (März 2018)
352 Seiten
Hardcover
16,99 €

Hörbuchinfo:

Der Audio Verlag (März 2018)
4 CDs
5 Std 50 Min
gekürzte Fassung mit Musik
16,99 €

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Rezension: © 2018, Nanni Eppner

08.03.18

Die Abschaffung der Mutter | Alina Bronsky & Denise Wilk




Eine Schwangerschaftsvorsorge, die in Entmündigung gipfelt. Geburten, bei denen es vor allem um eines geht: (Kosten-)Effizienz. Ein Wochenbett, das seinen Namen nicht mehr verdient. Stillen nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit und keinesfalls zu lange. Väter, die versuchen, die bessere Mutter zu sein. Eine Politik, die alles dafür tut, Kinder so schnell wie möglich in die Krippe zu stecken. Die Verunsicherung von Müttern als Geschäftsmodell. Wertschätzung? Unterstützung? Fehlanzeige.

Wer sich heute als Frau für ein Kind entscheidet, der muss verrückt sein, so könnte man meinen. Denn Mütter werden in unserer Gesellschaft zunehmend bevormundet, kleingehalten und überwacht. Jegliche Kompetenz mit dem eigenen Kind wird ihnen abgesprochen. Wer im Beruf ernstgenommen und von seinem Umfeld anerkannt werden möchte, der lässt seine Bedürfnisse als Mutter unter den Tisch fallen. Denn eines will man auf gar keinen Fall sein: eine Glucke. Schritt für Schritt vollzieht sich so die Abschaffung der Mutter. In ihrem Buch liefern Alina Bronsky und Denise Wilk eine schonungslose Analyse der Entwicklungen. Pointiert und zugespitzt schildern sie, wer die Nutznießer sind, und fragen, was sich ändern muss, damit Mütter wieder den Rückhalt bekommen, den sie verdienen.(Text & Cover: © Randomhouse)


Mutter und Karrierefrau gleichzeitig zu sein, scheint heute nicht mehr zur Debatte zu stehen. Eine Mutter möchte nicht mehr nur Zuhause sein und sich ausgiebig um ihre Familie kümmern. Nein, sie will auf jeden Fall auch arbeiten gehen und trotzdem das Kind perfekt erziehen. Ein Spagat, der sich nicht immer als einfach erweist. Und ist das wirklich der Wunsch ALLER Mütter?

Alina Bronsky und Denise Wilk kreiden an, dass Mütter in der heutigen Zeit von mehreren Instanzen - Gesellschaft sowie Staat (finanzielle Gründe) - quasi dazu genötigt werden arbeiten zu gehen und sehen sich selbst als wichtigsten Bezugspunkt ihrer Kinder. 

Aussagen, die ich nachvollziehen kann, denn ich sehe als Mutter und als Pädagogin wie wichtig das familiäre Umfeld für die kindliche Entwicklung ist. Das ersetzt nun mal keine Kindergartengruppe. Ob die Schäden so drastisch sind, wie Wilk und Bronsky sie darstellen sei mal dahin gestellt, denn es gibt durchaus auch Kinder, die im Hort besser aufgehoben sind, als bei den eigenen Eltern.

Und genau das ist das Problem. Wilk und Bronsky sehen eine Seite der Elternschaft - ihre eigene - und vertreten diese mit nicht repräsentativen Studien (hauptsächlich eigenen Erfahrungen und Empfindungen), statt die Toleranz auszuspielen, die sie anprangern. 

Die Frage ist, ob man das Thema überhaupt objektiv sehen und niederschreiben kann oder ob es immer eine Verlagerung in eine Sparte der Mutterschaft gibt. Es gibt kein richtig und kein falsch in der Erziehung. Diese sollte individuell und auf die Bedürfnisse von Kind und Eltern abgestimmt sein. Schwarz-weiß denken sorgt weder für Aufklärung, noch für Akzeptanz. Trotzdem wünsche auch ich mir mehr Verständnis, Anerkennung und Unterstützung für uns Mütter, die wir gerne die ersten Jahre unseres Kindes Zuhause verbringen. Auch wenn das oftmals Verzicht bedeutet. Unsere Kinder sind die Gesellschaft von morgen. Dass diese Tatsache noch nicht in allen Köpfen angekommen ist, ist das größte Manko von allen.


Buchinfo:

DVA (2016)
256 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
17,99 €