30.04.18

[Rezension] Mausmeer | Tamara Bach




Nur dieses eine Wochenende. Nur noch einmal in Opas altes Haus am Arsch der Welt, hier war alles immer gut. Nur das will Ben, der gerade achtzehn geworden ist und irgendwie festhängt – in der Schule, in der Familie, im Leben. Ein paar Tage raus aus allem. Zusammen mit Annika, der großen Schwester, die doch immer die Vernünftigere war. Einen Spaziergang, ein Osterfeuer und einen umgefallenen Tisch und die Folgen später sieht nicht mehr alles so aus wie vorher.(Text & Cover: © Carlsen; Foto: © N. Eppner)


Nachdem ich in den letzten Wochen schon "Was vom Sommer übrig ist", "Vierzehn" und "Marienbilder" von Tamara Bach gelesen und gemocht habe, freute ich mich schon auf "Mausmeer". Das aktuell neuste Buch der sympathischen Autorin. Für mich eins der besten. Vielleicht, weil ich gern über die darin verarbeiteten Themen lese, denn die Qualität der schriftstellerischen Leistung ist in jedem ihrer Romane gleich hoch. 

Worum geht es? Es geht um Familie. Um Geschwister. Um die Schwierigkeit ein Gefüge grundverschiedener Persönlichkeiten zusammenzuhalten. Um Erinnerungen. Um die Schönheit des Vergangenen und die Ängste, die mit der Unvorhersehbarkeit der Zukunft zusammenhängen. 

Im Mittelpunkt stehen Ben und Annika, die sich schon seit Jahren nicht mehr so verstehen, wie man es sich von Geschwistern wünscht und die nun das Osterwochenende miteinander verbringen. Beide gefrustet vom Leben, von Schule, Studium, Umfeld und den Eltern. Ein schwieriges Alter - ich kann mich noch genau erinnern. Man befindet sich ständig in der Schwebe zwischen Euphorie und der Angst den falschen Weg einzuschlagen. Im schlimmsten Fall so zu werden wie die Eltern von denen man sich gerade so gerne abnabeln möchte.

Ben entführt Annika in die Vergangenheit. In das Haus des Großvaters, das an einem See steht, in einer Gegend steht, in der die Zeit steht. In der man sich an Kleinigkeiten hochziehen, aber auch festhalten kann. Dort, wo man entweder für immer schweigt oder zur Aussprache gezwungen wird. Wo man sich selbst so massiv ins Auge blicken muss, dass man entweder verängstigt wegläuft oder zu neuem Mut findet.

Erzählt wird mal aus der Perspektive von Ben, mal aus der von Annika. Absätze, die ineinander verschmelzen. Wie immer schreibt Tamara Bach sehr komplex. Versteckt vieles zwischen den Zeilen. Möchte, dass ihre LeserInnen selbst denken und sich nicht alles vorsagen lassen. Ich mag es, dass sie herumprobiert, dass sie ihrem Stil treu bleibt, aber nicht in eine Schublade verfällt. Und ich wünsche ihren Büchern von Herzen ganz, ganz viele LeserInnen.


Buchinfo:

Carlsen (2018)
144 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
12,99 €

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Rezensionen: © 2018, Nanni Eppner

27.04.18

[Rezension] Die Phantasie der Schildkröte | Judith Pinnow




Was passiert, wenn ein Kind das Leben einer Erwachsenen in die Hand nimmt?
Edith ist Mitte vierzig und wohnt allein in einer kleinen Wohnung in Köln. Ihr Leben verläuft in sehr engen Bahnen. Tagsüber arbeitet sie bei einer Versicherung, abends schaut sie Fernsehen. Außer zu ihrer Mutter, mit der sie sich pflichtschuldig einmal im Monat trifft, um sich von ihr kritisieren zu lassen, hat sie kaum Kontakte. Das ändert sich, als sie mit einer Zehnjährigen im Aufzug stecken bleibt. Die Kleine beginnt ein raffiniertes Spiel mit ihr, der Beginn einer sehr ungewöhnlichen Freundschaft. Jeden Tag muss Edith eine neue Aufgabe erledigen, und ihr Leben verändert sich dabei mehr als sie es je für möglich gehalten hätte.
Eine poetische Geschichte über die Kraft des Wünschens.
(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)


Wer ein herziges Wohlfühlbuch sucht, das dazu anregt die eigene Lebenseinstellung zu überdenken, der sollte unbedingt zu "Die Phantasie der Schildkröte" greifen. 

Ediths Leben ist sehr geregelt. Sie weiß ganz genau, wann welche Aktivität ansteht, wann sie welche Sendung anschaut und wann sie welches Essen zubereitet. Das vereinfacht ihr Leben. Zumindest augenscheinlich, denn passiert etwas Unverhofftes, dann wirft es sie so sehr aus der Bahn, dass sie nicht weiß, wie sie damit umgehen oder die Situation retten soll. Was das betrifft ist sie dem Held ihrer Lieblingsfernsehserie "Monk" gar nicht mal unähnlich.

Eines Morgens begegnet sie im Fahrstuhl einem Mädchen. Einem sehr dreisten kleinen Mädchen, das ihr von nun an eine ganze Flut an irrsinnigen Aufgaben stellt, die Ediths Leben gehörig auf den Kopf stellen. 

Ich habe "Die Phantasie der Schildkröte" so richtig gern gelesen. Das Buch hat mir einfach große Freude bereitet und lässt die Herzen aufgehen. Judith Pinnow hat einen herrlichen Humor. Nimmt ihre Protagonistin Edith gern mal ein bisschen hoch und neigt zu einer gewissen Ironie, die mich daran erinnert, dass ich nicht alles im Leben so kritisch betrachten und manche Sichtweise auflockern sollte. Manchmal ist es nicht schlecht sich an der Perspektive eines Kindes zu orientieren. Unvoreingenommen und neugierig zu sein.

Edith ist eine wunderbare Protagonistin. Sie ist unsicher, weil sie von ihrer Mutter ständig kritisiert wird und mit wenig bis keiner positiven Verstärkung aufgewachsen ist. Vor Männern hat sie eine gewisse Scheu, denn die haben in ihrem Leben keine Rolle gespielt. Sie hat weder Kontakt zum eigenen Vater, noch zu dem der Mutter, denn die beiden liegen seit Jahren im Clinch. 

Das kleine Mädchen, das Schneewittchen genannt werden möchte, ist so etwas wie Ediths Lebensretterin. Sie hilft ihr sich dem Leben zu stellen. Dinge anzugehen, die sie vorher mehr oder weniger geschickt umschifft hat. Es ist, als komme mehr und mehr Farbe in Ediths Leben. Als könne sie klarer sehen. Bunter denken. 

Wir alle haben unsere kleinen Schneckenhäuser, die wir uns über Jahre aufgebaut haben. Komfortzonen, in denen wir uns wohl und sicher fühlen. Doch was machen sie wirklich mit uns? Bereichern sie unser Leben? Sorgen sie dafür, dass wir uns gut fühlen? Oder ist es einfach nur bequem dort zu verweilen? 

"Die Phantasie der Schildkröte" regt zum Nachdenken an. Möchte, dass wir uns und unseren Lebensweg einmal genauer betrachten. Wo sind wir sehr eingefahren? Wo können wir einen Schritt nach vorn wagen? Wo müssen wir mal wieder über unseren Schatten springen, um etwas zu erleben? Wer etwas wagt, wer Ängste besiegt, wer Mauern überwindet, gewinnt an Kraft, Mut und Stärke. Das ist nicht immer leicht, aber genau das, was unser Leben, unsere eigene Persönlichkeit bereichert und wachsen lässt.


Buchinfo:

S. Fischer (2017)
416 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
19,99 €

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Rezension: © 2018, Nanni Eppner



23.04.18

[Rezension] Iron Flowers 01: Die Rebellinnen | Tracy Banghart




ERSCHEINUNGSTERMIN: 25. April 2018

Sie haben keine Rechte.Sie mussten ihre Träume aufgeben.Doch sie kämpfen eisern für Freiheit
und Liebe. 
Sie sind Schwestern, könnten unterschiedlicher nicht sein und sind dennoch unzertrennlich. Nomi ist wild und unerschrocken, Serina schön und anmutig. Und sie ist fest entschlossen, vom Thronfolger zu seiner Grace auserwählt zu werden, und ihr von Armut und Unterdrückung geprägtes Leben gegen eines im prunkvollen Regentenpalast einzutauschen. Doch am Tag der Auswahl kommt alles anders: Die Schwestern werden auseinandergerissen – und ein grauenhaftes Schicksal erwartet sie, auf das sie niemand vorbereitet hat.(Text & Cover: © Fischer Sauerländer; Foto: © N. Eppner)

Eigentlich habe ich das Gefühl romantischer (Jugend)Fantasy entwachsen zu sein. Als uns bei einem Bloggertreffen "Iron Flowers" von einer Pressemitarbeiterin des Verlags eindringlich empfohlen wurde, konnte ich dann doch nicht nein sagen. Manchmal muss man auf sein Bauchgefühl vertrauen und natürlich auch auf die Meinung derjenigen, die Bücher mit großer Leidenschaft begleiten.

Ich wurde nicht enttäuscht. Ganz im Gegenteil. Ich habe "Iron Flowers" verschlungen. Fast an einem Nachmittag weggelesen. Hätte ich mehr Zeit gehabt, dann hätte ich es nicht mehr aus der Hand gelegt. Was inhaltlich klingt, als sei es ein Abklatsch von bereits bekannten Jugendfantasy Geschichten mit Bachelor Effekt, ist fast so individuell wie seine Autorin Tracy Banghart, die mit ihrem Äußeren auffällt und sympathisch ihre Kanäle in den Sozialen Netzwerken füttert.

Eben nur fast so individuell, da es einen wichtigen Punkt gibt, den ich vorausgeahnt habe. Der mir leider sogar aus einem anderen Jugendroman dieser Art bekannt vorkam. Banghart hat aber doch noch einmal die Kurve gekriegt und diesen Teil des Plots durch eine extrem gut aufgebaute Spannung gerettet. Ich war mir ziemlich sicher zu wissen, was die große Überraschung sein würde, aber der Weg dorthin war sehr spannend und ich habe mich ständig gefragt, wie die Autorin dieses gewisse Geheimnis wohl auflösen würde.

"Die Gesetze dieses Landes, die Methoden, mit denen Frauen unwissend und ohnmächtig gehalten wurden ... alles, weil die neuen Machthaber nicht wollten, dass die Geschichte sich wiederholte." (S. 180)

So sympathisch wie Banghart sind auch ihre Protagonistinnen. Der Verlag stellte die Frage welche der beiden Schwestern wohl mehr Gefallen bei den LeserInnen findet. Die schöne Serina, die jahrelang so erzogen wurde, dass sie eine der Graces des Thronfolgers werden kann, oder Nomi, die schon immer ein bisschen aufmüpfig und anders ist, als ihre Schwester. Für mich gibt es keine eindeutige Antwort, da die beiden Mädchen so vielschichtig und stark kreiert wurden, dass sie mich beide in ihren Bann ziehen konnten.

Ich möchte eigentlich gar nicht zu viel zum Inhalt verraten, denn "Iron Flowers" lebt davon, dass wir LeserInnen uns ein eigenes Bild verschaffen. Banghart spielt mit uns. Führt uns vor Augen wie viel Macht Manipulation ausüben kann, wie sehr wir uns beeinflussen lassen, wie blind wir manchen Vorgaben, politischen Strukturen und Aussagen hinterherlaufen ohne sie zu hinterfragen und uns ein eigenes Bild zu verschaffen. 

Sie fordert zu eigenem Denken auf. Zu hinterfragen und sich zu bilden. Zu gezielter durchdachtem Handeln und Vertrauen in die eigene Stärke. All dies hat sie wirklich sehr gut verpackt in eine Geschichte, die mich ziemlich doll fesseln konnte und die so spannend und unerwartet endet, dass ich am liebsten sofort weiterlesen würde. 


Buchinfo:

384 Seiten
Gebunden mit Schutzumschlag
16,99 €
ÜBERSETZUNG: Julia Strüh

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Rezension: © 2018, Nanni Eppner

21.04.18

3 Buchtipps für ein sonniges Frühlingswochenende





Der Frühling zeigt sich von seiner besten Seite. Sonnenschein wohin man schaut. Ideales Draußen-Lesewetter. 

Um dies auch zu nutzen, stelle ich dir hier drei Bücher vor, die du an einem Wochenende verschlingen kannst. 




"Die Herzen der Männer" | Nickolas Butler

In den Augen seines Vaters ist Nelson eine Enttäuschung. Wer will schon ein Kind, das weder Freunde noch Selbstbewusstsein besitzt? Je intensiver der verunsicherte Junge sich nach Zuwendung sehnt, desto stärker sondert sich der Vater ab, bis er irgendwann ganz aus dem Leben seines Sohnes verschwindet. Doch in einem Punkt hat er sich getäuscht. Nelson ist nicht allein. Jonathan, sein bester Freund aus dem Pfadfinderlager, ist das genaue Gegenteil von Nelson: bei allen beliebt, pragmatisch und mit einer unverwüstlichen Leichtigkeit ausgestattet. Was aber treibt jemanden wie Jonathan dazu, sich mit einem Außenseiter anzufreunden? Und stand Jonathan wirklich immer so rückhaltlos zu ihm? Das Leben im rauhen Wisconsin verlangt Nelson, Jonathan und dessen Familie Prüfungen ab, die Freundschaft und Loyalität auf eine harte Probe stellen.
(Text & Cover: © Klett Cotta; Foto: © N. Eppner)

"Die Herzen der Männer" hat sich schon nach wenigen Seiten in mein Herz gefressen. Der barsche Ausdruck "fressen" ist hier tatsächlich angebracht, denn trotz all der positiven Eigenschaften, die dieser Roman mitbringt, ist er keine leichte Kost und hat mich emotional ganz schön aufgewirbelt. 

Trotz des Titels sind es nicht nur die männlichen Charaktere, denen ich sowohl Sympathien, als auch Hass entgegen bringe, sondern auch starke Frauen, die mich begeistern können. Menschen, die vom Schicksal gebeutelt werden, die dem Leben die Stirn zeigen, das Beste aus ihrer Situation machen, kämpfen. Manchmal gegen die Dunkelheit im eigenen Herzen, manchmal gegen Missgunst und Wut der anderen. 

Gefühle, die sich über Jahre, manchmal über Generationen angesammelt haben. Gefühle, die durch das ineinandergreifen verschiedener Handlungen entstanden sind.

Nickolas Butler schreibt sich tief in mein Herz. Er zerkratzt es, er fügt ihm Schmerz zu, weil es Tage gibt, an denen er seine Figuren durch die Hölle gehen lässt. Aber vor allem schreibt er über Kraft, Stärke und Mut und macht damit alles wieder wett. Sorgt dafür, dass die von ihm verursachten Wunden wieder heilen und schafft sogar noch ein bisschen Puffer für das, was kommen mag. "Die Herzen der Männer" ist ein Buch das gibt und an das ich immer wieder gerne zurück denke.

Klett Cotta | Übersetzung: Dorothee Merkel | Hardcover mit Schutzumschlag | 477 Seiten | 22,00 € 







"Zwischen DIR und MIR die Sterne" | Darcy Woods

Wil hat genau 22 Tage, um den Richtigen zu finden. 22 Tage, in denen die Sterne für sie günstig stehen, bevor ihr Liebesglück sich für die nächsten zehn Jahre zu verabschieden droht. Der Countdown läuft: Hals über Kopf und sehr beherzt stürzt Wil sich in das Abenteuer ihres Lebens. Doch dann stehen plötzlich gleich zwei Richtige vor ihr: Seth legt ihr sein Herz zu Füßen. Grant bringt ihres zum Leuchten. Seth ist der Richtige, sagen die Sterne. Grant fühlt sich aber richtiger an, sagt Wils Herz. Und jetzt …  (Text & Cover: © Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)

Es ist, wie es ist - Darcy Woods hat das Liebesroman Rad nicht neu erfunden. Aber sie hat eine Liebesgeschichte geschrieben, die ich mit viel Freude gelesen habe.

Kurzweilig erzählt die Autorin, die sich wie Protagonistin Wil mit Astrologie beschäftigt hat, die Geschichte eines Mädchens, das einem Versprechen hinterherrennt und dabei die Realität und ihre Gefühle völlig aus den Augen verliert.

"Zwischen DIR und MIR die Sterne" lebt von seinen Figuren, die allesamt ausgefallene Charaktere sind. Ihre Handlungen sind zwar manchmal vorhersehbar und auch nicht immer gänzlich neu, aber sie sind sehr sympathisch und so konzipiert, dass ich als Leserin gerne meine Zeit mit ihnen verbringe. Das spiegelt sich auch in den Dialogen, die spritzig, amüsant und mitreissend sind. Etwas mehr Überraschung und Unbekanntes und "Zwischen DIR und MIR die Sterne" wäre ein perfekter Liebesroman.


Fischerverlage Sauerländer | Übersetzung: Astrid Becker | Hardcover m. Schutzumschlag | 384 Seiten | 16,99 €







"Mr. Griswolds Bücherjagd: Das Spiel beginnt" | Jennifer Chambliss Bertmann

Das Beste am Umzug ihrer Familie nach San Francisco ist für Emily die Tatsache, dass ihr großes Idol dort wohnt: Garrison Griswold, Verleger und Gründer der erfolgreichen Internet-Plattform »Mr Griswolds Bücherjagd«, ein Spiel, bei dem Bücher versteckt und durch Lösen von Rätseln gefunden werden können. Am Tag der Ankunft soll ein sensationelles neues Spiel starten, doch schon bald findet Emily heraus, dass Mr Griswold von Unbekannten angegriffen wurde und nun im Koma liegt. Emily und ihr neuer Freund James entdecken ein seltsames Buch, das Griswold gehört und vermutlich der einzige Schlüssel zu seinem neuen Abenteuer ist. Die Kinder wollen das Rätsel unbedingt lösen. Denn irgendjemand hat es nicht nur auf Griswold, sondern auch auf das Buch abgesehen …
(Text & Cover: © Mixtvision; Foto: © N. Eppner)

Ein Abenteuer, das ich gerne selbst erleben würde? Et voilà - hier ist es! Die im Buch beschriebene Bücherjagd ist ein Spiel, das jedes Büchernerd Herz höher schlagen lässt. 

"Mr. Griswolds Bücherjagd" ist für Kinder geschrieben, spricht aber absolut Bücherliebhaber und Abenteurer jeden Alters an. Die Geschichte ist so kurzweilig und spannend, dass ich nur so hindurchgeflogen bin. Das Rätsel um das geheimnisvolle Buch ist mysteriös und steckt voller Überraschungen. Nichts ist vorhersehbar.

So ein Geheimnis zu lösen ist nicht leicht. Schon gar nicht, wenn man eine Einzelkämpferin ist. Mit einem guten Freund an der Seite ist alles schöner und einfacher. Diese Erfahrung macht auch Protagonistin Emily, die keinerlei Erfahrung hat im Freundin sein und deshalb auch mal ins Fettnäpfchen tritt. Aber eine echte Freundschaft macht eben auch aus, dass man sich verzeiht und trotz aller Fehler gern hat. 

"Mr. Griswolds Bücherjagd" ist ein Buch, das man jedem schenken kann, der / die Bücher mag. Ein Buch voller Bücherliebe und mit ganz viel Herz geschrieben. Und zum Glück nicht Emilys letztes Abenteuer.

Mixtvision | Übersetzung: Elisa Martins | Hardcover | 361 Seiten | 14,90 €



Rezensionen: © 2018, Nanni Eppner

19.04.18

[Rezension] Ein fauler Gott | Stephan Lohse




Sommer 1972. Benjamin ist gerade elf geworden. Nächstes Jahr wird er ein Herrenrad bekommen, eine Freundin und vielleicht eine tiefe Stimme. Doch dann stirbt sein kleiner Bruder Jonas. Die Mutter weint nachts. Ben kommt nun extra pünktlich nach Hause und spielt ihr auf der C-Flöte vor. An Jonas denkt er immer seltener – denn Ben hat mit dem Leben zu tun.
(Text & Cover: © Suhrkamp; Foto: © N. Eppner)



Wie lebt man das eigene Leben weiter, wenn ein geliebter Mensch stirbt? Ich wage es mich so weit aus dem Fenster zu lehnen, dass keine Lücke so weit auseinander klafft, wie der Verlust des eigenen Kindes. Unvorstellbar. Unbegreiflich. Für Eltern, aber auch für Geschwister, vor allem dann, wenn sie noch sehr jung sind. Dem Tod noch nie vorher begegnet sind und überhaupt keine Ahnung davon haben, was Tod wirklich bedeutet. Was bedeutet er denn überhaupt?

Für Benjamin bedeutet der Tod in erster Linie, dass sein Bruder Jonas nicht mehr da ist. Dass sein Zimmer leer ist, dass er Zuhause nun alleine spielen muss, aber auch, dass er nun noch mehr auf Mama aufpassen muss, als vorher schon. Den Papa spielt er ja schon länger. Seit der echte Papa ausgezogen ist. Aus einem Quartett wurde ein Trio, ein Duo. Was tun mit der Lücke, die Jonas hinterlassen hat? Darf man seinen Platz am Tisch besetzen? Darf man sein Zimmer betreten? Darf man weiterhin mit ihm reden? Wie oft muss man an ihn denken? Darf man seinen Namen an ein Tier vergeben? Und wie geht das überhaupt mit dem Traurig sein?

Stephan Lohse hat ein Buch geschrieben über Trauer, Verlust und Einsamkeit. Unabdingbar verbunden mit dem Weg zurück in den Alltag. Der schwer ist. Ganz klar. Für Ruth noch mehr, als für Ben. Das Leben zieht ihn mit. Dreht sich weiter. Er muss zur Schule, hat Freunde, denen der Tod völlig unbekannt ist und daher wenig Aufmerksamkeit bekommt, er wächst körperlich wie geistig und das ungewollt und unaufhaltsam. 

Lohses Schreibe ist poetisch und nachdenklich. Aber auch stark und von einem gewissen Humor gekennzeichnet, der sich oftmals in der Situation oder zwischen den Zeilen finden lässt. Geschickt wählt er Bens Perspektive als Hauptfokus auf die Geschichte. Dadurch wird sie von einer gewissen Naivität, aber auch einer Kindern ganz eigenen Schläue geprägt. Deutlich wird wie anders der Blickwinkel von Kindern auf viele Dinge ist. So haben Jonas und Ben zum Beispiel über Themen gesprochen, die sie im Gespräch mit den Eltern nicht relevant fanden oder sich einfach nicht getraut haben anzusprechen. 

Der Verlust von Jonas hat mich an einigen Stellen sehr traurig gemacht. Ich konnte viele Reaktionen der Mutter nachvollziehen, ihr schwanken zwischen Wut und Hoffnungslosigkeit, zwischen Trauer und Schuld. Bens Verhalten, seinen Blickwinkel auf Jonas' Tod und sein eigenes Fortsbestehen hingegen hat etwas sehr Tröstliches, dass aus einem Roman über einen tragischen Todesfall eine Geschichte über Hoffnung macht.

Buchinfo:

Suhrkamp (2017)
336 Seiten
Hardcover
22,00 €
(ET Taschenbuch: Mai 2018)

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Rezension: © 2018, Nanni Eppner

18.04.18

[Rezension] Vierzehn | Tamara Bach




Der erste Schultag. Zwei Wochen vor den Sommerferien ist Beh krank geworden und konnte nicht mit den anderen in den Urlaub fahren. Als das neue Schuljahr anfängt, hat sie alle acht Wochen lang nicht gesehen. Viel ist passiert, ihre Freundinnen haben neue Leute kennengelernt und Geschichten zu erzählen. Beh dagegen war nur zu Hause. Aber eigentlich war da mehr, von dem ihre Freundinnen nichts wissen. Zu Hause liegt eine Postkarte für sie im Briefkasten, in der Stadt gibt es ein Zimmer mit blauen Wänden, da ist ein Hund, ein Mädchen mit Schwimmflügeln und lauter Orte, die Beh bis zum Abend noch fotografieren wird, weil ihnen etwas fehlt. Und als Beh am Ende des Tages ihre Zimmertür schließt, hat sie auch jemand bei ihrem vollen Namen genannt.(Text & Cover: © Carlsen; Foto: © N. Eppner)

Bei "Vierzehn" fiel es mir besonders schwer in die Schreibe der Autorin hineinzufinden. Tamara Bach nutzt als Erzählperspektive die Du-Form und obwohl ich schon ein paar Bücher gelesen und gemocht habe, für die dieser Stil gewählt wurde, bereitet er mir bei "Vierzehn" anfangs Probleme. Das mag vielleicht auch an der Länge - oder besser gesagt Kürze - der Sätze liegen, die bei mir das Gefühl auslösen, dass ich einen Schritt nach vorne gehe und dann stolpere, statt mich flüssig durch die Sätze zu bewegen.

Gleichzeitig bekomme ich dadurch aber auch eine erste Verbindung zu Protagonistin Beh, die durch eine längere Erkrankung nicht an den Sommeraktivitäten teilnehmen konnte, an denen ihre Freundinnen und Klassenkameradinnen teilnahmen. Sowohl Beh, als auch ich finden nur schwer einen Rhythmus.

Was mir gefällt ist, dass Bach dadurch auf ziemlich hohem Niveau Spannung aufbauen kann. 

Bald findet Beh wieder mehr in das Miteinander rein. In das Zusammenspiel der Freundschaften, in den Unterricht, in das soziale Miteinander. Auch die Sätze, die manchmal wahllos aneinander gereiht scheinen, stehen mehr und mehr in Verbindung miteinander.

"Du denkst kurz über freien Willen nach, dann über Schokolade."(S.40)

Behs Fehlen ist deshalb schwierig, weil sie und ihre Freundinnen sich in einem Alter befinden, in denen Wochen manchmal Jahre ausmachen. Während die einen noch Kinder sind, entwickeln sich die anderen zu Teenagern. Interessen verlagern sich, Perspektiven verändern sich, Freundschaften entwickeln sich auseinander.

Was für mich wie harte Arbeit begann, entwickelte sich zu einem zarten Roman über den Schritt in einen neuen Lebensabschnitt. Toll aufgebaut, sprachlich anspruchsvoll und mit viel Gefühl niedergeschrieben. Wieder einmal eine Leseempfehlung für ein Buch von Tamara Bach.



Buchinfo:

Carlsen (2017)
112 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag
13,99 €

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Rezensionen: © 2018, Nanni Eppner

15.04.18

[Reiseproviant] 3 | 18




Familienreise:


Im März bin ich gar nicht dazu gekommen einen Reiseproviant Beitrag zu schreiben und auch meine Rezensionen sind etwas zu kurz gekommen. Warum weiß ich gar nicht so genau. Oftmals fehlt mir der Drang mich an den Laptop zu setzen. Vielleicht waren es aber auch die Ausläufer eines Winterschreibtiefs. 

Ansonsten waren die letzten Wochen eher entspannt, als spannend. Der Babybauch wächst, die Räubertochter auch (plötzlich hat sie total lange Beine!!) und die Vorfreude auf den Familienzuwachs sowieso. Ich bin eine echt ungeduldige Schwangere und würde mir wünschen, ich wäre schon weiter. Aber ein bisschen was habe ich noch vor mir (noch etwa 15 Wochen). 

Wir freuen uns natürlich sehr darüber, dass der Frühling nun endlich Einzug hält. Grillen, draußen spielen, an der Sonne erfreuen - läuft! Jetzt wird es Zeit den Garten wieder fein zu machen, aber leider hält mich eine fiese Erkältung davon ab mich mehr als 3 Schritte zu bewegen. Pläne für die Gestaltung der Beete gibt es auf jeden Fall schon reichlich.





Literarische Reise:


Dank der Erkältung musste ich mich ganz viel ausruhen und hatte reichlich Zeit zu lesen. Die habe ich auch wirklich genutzt. Zur Zeit lese ich Buch Nr. 7 für diesen Monat. 

Mit "Zwischen DIR und MIR die Sterne" (aktuelle Lektüre) und "Die Phantasie der Schildkröte" habe ich beide Monatsaufgaben der Fischerchallenge erledigt. Zusätzliche Punkte habe ich durch "Shikanoko 02" und "Iron Flowers" (ET: 25. April) gesammelt. Über letzteres darf ich leider noch nicht viel sagen, aber es spricht nichts dagegen zu erzählen, dass ich es fast innerhalb eines Tages durchgelesen habe. 

Mit Damaris habe ich vor einiger Zeit einen Buddy Read gestartet. Das bedeutet, dass man gemeinsam ein Buch liest (nicht unbedingt genau Zeitgleich), um sich dann darüber austauschen zu können. Wir haben uns für die Printbücher von Autorin Tamara Bach entschieden, die zur Sorte besondere Bücher zählen, die dadurch aber auch nicht nach jedermanns Geschmack sind. Wir wollen, dass diese Bücher mehr Aufmerksamkeit bekommen. Bisher gelesen und rezensiert habe ich "Was vom Sommer übrig ist" und "Marienbilder". Im April ist dann noch "Vierzehn" dazu gekommen, aber das habe ich noch nicht besprochen. Nun fehlt mir noch "Mausmeer", der aktuelle Roman der sympathischen Autorin. Kennst du Bachs Bücher? Liest du gerne Romane, die von solch komplexem Schreibtstil sind?





Mein bisheriges Highlight ist "The First Empire: Rebellion" von Michael J. Sullivan. Ein extrem spannender und unterhaltsamer Fantasyroman, der voller Überraschungen steckt. Sullivan wird allerdings starke Konkurrenz um den Monatsthron bekommen, denn auf meinem Leseplan steht für die nächste Woche "Das Leuchten der Magie" aus der Dämonenreihe von Peter V. Brett. Eine meiner absoluten Lieblingsfantasyreihen ever!

Kulinarische Reise:


Endlich ist Spargelzeit. Während ich früher davon überzeugt war keinen weißen Spargel zu mögen, weil der schon so danach aussieht, dass er mir nicht schmeckt (ziemlich blöde Einstellung ...), liebe ich ihn heute in den verschiedensten Variationen. Grünen Spargel mag ich gerne vom Grill, kurz angebraten oder im Salat. In der ZDF Küschenschlacht (ja, so was kann man anschauen, wenn man krank ist) wurde ein fruchtiger Spargel Quinoa Salat vorgestellt. Ich habe die Feigen weggelassen, Nektarinen durch Ananas (Unverträglichkeit beim Mann) und Ziegenkäse durch Lachs ersetzt und uns alle damit ziemlich glücklich gemacht. Beim nächsten Mal werde ich noch Feta hinzugeben.

Magst du Spargel? Welches ist dein Lieblingsspargelrezept?





Ich wünsche dir ein wundervolles, sonniges Wochenende.


13.04.18

[Rezension] The First Empire 01: Rebellion | Michael J. Sullivan




Seit Anbeginn der Zeit leben die Menschen im Schatten ihrer Götter, der Fhrey: Während diese in kunstvoll angelegten Städten wohnen, über Magie verfügen und niemals altern, hausen die Menschen in armseligen Dörfern, geplagt von Hunger und Krankheiten. 
Als der junge Raithe von einem Fhrey angegriffen wird, tut er das Undenkbare: Er wehrt sich. Niemand könnte überraschter sein als Raithe, als der unsterbliche Gott plötzlich tot zu seinen Füßen liegt. Von da ab eilt sein Ruf ihm voraus - und ehe er es sich versieht, wird Raithe zum Anführer eines Aufstands, der die Welt für immer verändern soll.(Text & Cover: © Knaur Fantasy; Foto: © N. Eppner)


Was für eine rasante Geschichte! Obwohl ich schon vorher wusste, dass Sullivan gut schreiben kann, wurde ich mit "Rebellion" nochmals von ihm überrascht und so gut unterhalten, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Wie werden Helden gemacht? Ganz einfach. Man nehme einen starken Kerl, der in einem Anflug von Mut -oder auch Dummheit-, und mit einem kleinen Quäntchen Glück, einem allseits gehassten Mensch, das Leben nimmt. Dann bedarf es nur noch eines guten Kameraden, der, mit Hilfe kleiner Lügen, eine gute Geschichte spinnt und diese dann vielerorts weitererzählt. Besonders dort, wo sie aufgrund von Hass und Ablehnung auf offene Ohren trifft. Manipulation, wie sie im Lehrbuch steht. Aus der deutschen Historie wissen wir, dass dies nach hinten losgehen kann. Sullivan nutzt diese Art der Machtausübung jedoch, um seinen Helden Raithe groß werden zu lassen. Ein Sympathieträger vom ersten Moment an.

Neben heldenhaften Männern gibt es aber vor allem sehr mutige und starke Frauen, die ihren Weg gehen, für das einstehen, woran sie glauben. Gerecht und weltoffen. 

Es gibt allerdings auch entsprechende Gegenstücke. Menschen, die so verbohrt sind in ihrer Denkweise, dass ich manchmal am liebsten ins Buch hineingesprungen wäre und sie geschüttelt hätte. Einige von ihnen haben in ihrer Intoleranz und Verbohrtheit regelrechte Aggressionen in mir aufgewühlt. Es war, als stünde ich Mitgliedern einer Partei gegenüber, deren Parolen völlig Sinnfrei sind und einzig zur Hetze dienen, die aber bei einem Teil des Volkes ankommen. 

Ja, es war tatsächlich so, dass ich ständig das Gefühl hatte den Figuren des Romans persönlich gegenüberzustehen. So sehr hat mich Sullivan in den ersten Band des First Empire hineingezogen. Für ausgesprochen starke Authentizität und Lebendigkeit sorgt die Art wie der Autor, dessen Romane bereits in 14 Sprachen übersetzt wurden, seine Figuren konzipiert. Ausgeklügelte Details und ein Netz aus vielfältigen Charakterzügen, sorgen für einen entsprechenden Sog.

Dieser wird komplettiert von einer überaus hohen Spannung und unvorhersehbaren Ereignissen. Im letzten Fünftel gibt es einen Showdown vom Allerfeinsten, der dafür sorgte, dass ich bis spät in die Nacht hinein las. Und als ich endlich dachte, dass es nun ruhiger würde, kam auf den letzten Seiten nochmal eine Szene, die ganz viele Fragen aufwarf. Mit ganz großer Vorfreude sehe ich Band 2 "Zeitenfeuer" entgegen, der glücklicherweise schon im April 2018 erscheinen wird.


Buchinfo:

528 Seiten
Taschenbuch
9,99 €
ÜBERSETZUNG: Marcel Aubron-Bülles

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11.04.18

Mädchen in Scherben | Kathleen Glasgow




Charlotte ist zerbrochen. Mit nur siebzehn Jahren hat sie mehr verloren, als die meisten Menschen im Leben. Mehr als ein Mensch ertragen kann. Aber sie hat gelernt, wie man vergisst. Wie man seinen Körper gefühllos gegen Schmerz macht. Jede neue Narbe macht Charlottes Herz ein wenig härter, doch irgendwann begreift sie, dass sie mehr ist, als die Summe ihrer Verluste – und beginnt zu kämpfen! 
Die bewegende Geschichte einer jungen Frau, die stärker als ihr Schicksal ist.(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)


Der Einstieg in "Mädchen in Scherben" ist heftig. Protagonistin Charlotte hat einen Suizidversuch hinter sich und ist deshalb in einer psychiatrischen Klinik. Sie spricht nicht. Ist gekennzeichnet von Narben und Verletzungen. Offensichtlichen, die sie auf der Haut trägt, und jenen, die nicht zu sehen sind, die ihre Seele tief beschädigt haben. Charlotte lebt mit Selbstverletzendem Verhalten. Ihrem Weg dem Schmerz im Inneren zu entkommen.

Der erste Abschnitt des Romans widmet sich Charlottes Aufenthalt in der Klinik. Ich bekomme einige Hintergrundinformationen zu ihrer Vorgeschichte, zu ihren aktuellen Gefühlen, zu ihrem Charakter und ihrer Schwierigkeit mit Mitmenschen in Kontakt zu treten. Alles sehr stimmig. Sehr authentisch. Ich frage mich, ob Glasgow berufliche oder private Erfahrungen mit Selbstverletzendem Verhalten gemacht hat, denn vor allem die Gefühlswelt der Patientinnen wird sehr glaubhaft und realistisch dargestellt. Die Schreibe ist dem Inhalt perfekt angepasst. Vorsichtig, von einer eigenen Poesie, zurückhaltend und verletzlich. Sie trägt dazu bei, dass Charlottes Geschichte so richtig tief unter die Haut geht.

Dann beginnt ein neuer Abschnitt im Buch und damit die einzige, aber doch größere Kritik, die ich an der Geschichte habe. Ich wünschte, die Autorin hätte das ein wenig anders gelöst. Es gibt Alternativen, aber sie hat diesen Weg gewählt und damit leider ein wenig Glaubwürdigkeit verloren.

Der Rest des Romans dreht sich darum wie Charlotte zurück ins Leben findet. Wie sie ums Überleben kämpfen muss, weil sie nur wenig Geld zur Verfügung ist. Sie muss lernen mit Alltagsroutine klarzukommen. Oftmals schwierig für Menschen, die im festen Rahmen einer Einrichtung gelebt haben, die Sicherheit geboten hat. 

Vor allem muss Charlotte wieder lernen mit Menschen umzugehen. Herauszufiltern auf wen sie sich verlassen kann und von wem sie sich besser fernhält, weil sie sonst direkt wieder in alte Handlungsmuster verfällt. Sie muss lernen der Dunkelheit zu widerstehen und Hürden zu überwinden, ohne sich zu verletzen. Damit einher geht eine neue Sichtweise auf sich selbst. Eine Verschiebung von Schuldgefühlen und Verantwortung. 

Kathleen Glasgow verändert für diesen Abschnitt ihre Schreibe. Wählt eine schnellere, vielleicht auch etwas härtere Sprache. Der Teil des Romans ist nicht weniger dramatisch. Diesmal ist es aber nicht die Sprache, die uns tief treffen soll, sondern die Handlungen der Protagonisten, die verletzen, verstören und gleichzeitig für Hoffnung sorgen.

Ich würde gerne so viel mehr über diesen Teil der Geschichte sagen, aber es gibt darin so viel, dass man selbst entdecken sollte. Zu schnell ist zu viel zum Inhalt verraten. Viele Überraschungen warten dort. Und obwohl dieser Abschnitt so ganz anders ist, als der sehr emotionale erste Teil des Romans, ist er richtig, richtig gut. Die Autorin traut sich was. Entwickelt Figuren, die so gar nicht rund laufen und die mich selbst in Konflikte stürzen. 

"Mädchen in Scherben" bekommt trotz dieses dicken Kritikpunkts, den es bei mir verursacht, eine ganz klare Leseempfehlung. Das Buch bietet Identifikationspotential für Mädchen, die in einer ähnlichen Situation sind und zeigt, dass es möglich ist, aus dieser Spirale herauszugelangen. Dass es möglich ist, sich abzugrenzen, und eigene Wege einzuschlagen. Dass manchmal die Menschen Freunde sind, von denen man es nicht vermutet hätte und dass es sich lohnt die eigenen Träume im Blick zu behalten, auch wenn die derzeitige Lage noch so aussichtslos erscheint. Ein Buch, das Mut macht. Modern und ergreifend erzählt.



Buchinfo:

S. Fischer (2018)
448 Seiten 
Klappenbroschur
14,00 €
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Rezension: © 2018, Nanni Eppner

07.04.18

[Fantasy Neuerscheinungen 2018] April - Juni







"Höllenkönig" | James Abbott | Penhaligon


Don't judge a book by it's cover und doch bin ich ein Cover Käufer. Schöne Cover ziehen mich magisch an. Das Cover von "Höllenkönig" gefällt mir so extrem gut, dass ich mir gar nicht sicher bin, ob ich das Buch später überhaupt so ins Regal stellen möchte, dass man die Vorderseite nicht mehr sieht. Sehr gelungen, lieber Penhaligon Verlag!

Dass James Abbott (übrigens das Pseudonym eines britischen Schriftstellers) gerne Whisky trinkt, macht den Autor in meinen Augen nicht unsympathischer, auch der Inhalt seines Romans klingt sehr interessant und spannend.

Im Blickpunkt der Geschichte steht ein eher außergewöhnlicher Handlungsort. Ein Gefängnis auf dem Gipfel eines Berges. Dort regiert der Höllenkönig über die rivalisierenden Häftlinge. Ungewöhnlich ist nur, dass dieser sich selbst in Ketten hat legen lassen. Warum? Welches schreckliche Geheimnis verbirgt er?




"Das Siegel von Rapgar" | Alexey Pehov | PIPER

Alexey Pehov hat mich schon mit vielen Büchern begeistern können und so landet natürlich auch sein neuster Roman auf meiner Wunschliste.

In der Stadt Rapgar geschehen einige mysteriöse Morde. Angeklagt ist unter anderem Till, der einer alten Magierfamilie entspringt. Als er auf Erin, die von geheimnisvollen Gestalten gejagt wird, trifft, machen die beiden sich gemeinsam auf, um den oder die wahren Mörder zu finden.


Bei mir hat sich sofort eine gedankliche Verbindung zu Jack the Ripper entwickelt und ich finde, dass der Klappentext ziemlich spannend klingt. Weniger nach den High Fantasy Romanen, die ich von Pehov gewohnt bin, aber sehr düster und fesselnd.



"Iron Flowers. Die Rebellinnen" | Tracy Banghart | Sauerländer

"Sie haben keine Rechte.
Sie mussten ihre Träume aufgeben.
Doch sie kämpfen eisern für Freiheit
und Liebe."


Zwei Schwestern, die gemeinsam für die Rechte ihres Volkes kämpfen wollen. Doch dann werden sie entzweit und alles kommt ganz anders, als geplant.

Eigentlich denke ich ganz oft, dass ich aus dieser Art Jugendfantasy herausgewachsen bin. Wenn mir dann ein Buch aber so sehr von den Pressemitarbeiterinnen des Verlags empfohlen wird, dann muss ich doch nochmal zugreifen. Außerdem wünschen wir uns so oft mehr Autorinnen in der Fantasy Literatur (check) und starke Heldinnen. Vielleicht bekommen wir welche im Auftakt dieser neuen Serie.






FORTSETZUNGEN:




 

"Bigtime 03: Jinx" | Jennifer Estep | PIPER
"Die Beschwörung des Lichts" | V.E. Schwab | Fischer TOR
"Die Stimmen des Abgrunds" | Peter V. Brett | Heyne
"Nevernight. Das Spiel" | Jay Kristoff | Fischer TOR 






"Linien der Macht 01: Die Seele der Welt" | David Mealing | PIPER

Wieder einmal ein sehr gelungenes Cover. Aber Cover können die einfach, die PIPERs. Zumindest treffen sie fast immer meinen Geschmack.

Auch der Inhalt verspricht meinen Geschmack zu treffen, obwohl die Schlagworte Revolution, Volk im Umbruch, neue Art von Magie, ja zunächst eher nach Altbekanntem klingen. Manchmal kann ich verstehen, das LeserInnen, die nur die Klappentexte lesen, glauben, dass sich Phantastische Literatur immer nur um die selben Themen dreht. Zum Glück wissen wir es aber besser. Wie oft verstecken sich zwischen den Zeilen andere Geschichten, als erwartet?

Ich habe kurz in die Leseprobe reingelesen und bin überrascht worden, denn Setting und Schreibe scheinen ganz anders zu sein, als ich erwartet habe. Die ersten Seiten konnten mich auf jeden Fall so weit fesseln, dass dieser Reihenauftakt auf meinem Wunschzettel landet.





"Witchborn. Königin der Finsternis" | Nicholas Bowling | Carlsen Chickenhouse

Dieser Roman spielt im Jahr 1577. Es geht um Hexenverfolgung, weiße, sowie dunkle Magie und ein Mädchen, das Spielball königlicher Intrigen werden soll.

Historische Ereignisse, Hexenverfolgung treffen auf Magie und fantastische Elemente. Kann richtig gut sein und gibt es in dieser Form leider viel zu selten, weshalb ich mich schon sehr auf das Buch freue und hoffe, dass mich das düstere Setting ebenso mitreißen kann wie die Handlung.




FORTSETZUNGEN:


 

 


"Der Weltenfinder. Die zweite Reise ins Wolkenmeer" | Bernd Perplies | Fischer TOR ("Wolkenmeer"-Abenteuer, keine direkte Fortsetzung)
"Sieben Heere 03. Befreiung" | Tobias O. Meissner | PIPER
"The First Empire 02: Zeitenfeuer" | Michael J. Sullivan | Knaur Fantasy
"Schwarzes Blut" | Ivo Pala | Knaur Fantasy
"Klingenwelt 02: Blutfelsen" | Ju Honisch | Knaur Fantasy ("Klingenwelt"-Abenteuer, keine direkte Fortsetzung)






"Belgariad 01. Die Gefährten" | David Eddings | Blanvalet

"Belgariad" ist eine Neuauflage der Bücher "Die Prophezeiung des Bauern" (Knaur) und "Kind der Prophezeiung" (Bastei Lübbe).
Autor David Eddings ist 1931 geboren und starb 2009. In den 80er Jahren war er eine große Berühmtheit in der Phantastischen Literatur. Dass seine Romane nochmals verlegt werden, spricht ja eigentlich schon für sich.

Auf meiner Leseliste steht er schon lange und da ich mit der Neuauflage des Weitsehers von Robin Hobb schon so gute Erfahrungen gemacht habe, landet auch "Belgariad" auf meiner Wunschliste.




Welche Romane der Phantastik stehen für das kommende Quartal auf deiner Wunschliste? Welches der vorgestellten Bücher spricht dich so sehr an, dass du es gerne lesen möchtest?




Coverrechte liegen bei den entsprechenden Verlagen; Text: © 2018, Nanni Eppner








06.04.18

Die Villa am Meer | Micaela Jary




Rostock-Warnemünde 1897: Katharinas Hochzeit mit dem verwitweten, wesentlich älteren Manufakturbesitzer und Korbmacher Olaf Borchers steht unter einem schlechten Stern: Nicht nur, dass ihr Herz einem anderen gehört, Borchers halbwüchsiger Sohn ist nicht einverstanden mit der neuen Frau seines Vaters und torpediert die Ehe von Anfang an. Dennoch tut Katharina ihr Bestes, um mit ihrem Mann glücklich zu werden. Doch das ändert sich an dem Tag, an dem sie Pläne für ein eigenes Geschäft macht – einen Strandkorbverleih an der Ostsee ...(Text & Cover: © Goldmann; © N. Eppner) 


Schon nach den ersten Sätzen wusste ich, dass mir auch dieser Roman von Micaela Jary wieder sehr gefallen würde. Es ist wie nach Hause kommen. In ihren Büchern fühle ich mich einfach wohl.

Dabei geht es darin gar nicht so gemütlich zu, wie man nach meinen Worten vielleicht glauben mag. Neben dem Erschaffen von liebens- und bewundernswerten Figuren, ist sie vor allem gut darin historische Ereignisse und Fiktion zu einer dramatischen Handlung zu verweben. 

So ist es nicht verwunderlich, dass Jarys Liebe zum Meer auch in diesem Roman einen Platz findet und sie als Grundidee der Geschichte den Aufbau und die Entwicklung des Strandkorbs genutzt hat. Mitten hinein in historisch belegbare Begebenheiten und Ortschaften, setzt sie Protagonistin Katharina, die nach dem Bruch ihres Herzens die Flucht in eine Ehe wählt. Ihr Ehemann ist der ältere Geschäftsmann Olaf Borchers, Besitzer einer Korbmanufaktur und Hersteller von Strandkörben.

Die Ehe ist, wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch recht häufig, eher zweckmäßig, als von großer Liebe geprägt. Für Katharina kein großes Problem, denn Olaf ist ehrlich, gerecht und zuvorkommend. Zumindest so lange, bis Katharina, der das Leben als Hausfrau zu langweilig wird, geschäftlich auf eigenen Beinen stehen möchte. Erst da bemerkt sie wie groß die Unterschiede zwischen ihr und Olaf tatsächlich sind. Wie sehr sein Denken, das einen größeren Teil des vergangenen Jahrhunderts miterlebt hat, als das Katharinas, doch in dieser Epoche hängen geblieben ist. Ein Unwetter braut sich herauf.

Mit Katharina hat Micaela Jary eine wirklich starke weibliche Hauptfigur erschaffen. An ihr demonstriert sie wie hart wir Frauen in den letzten Jahrzehnten für unsere Rechte gekämpft haben müssen. Was für uns heute selbstverständlich erscheint, war zu Katharinas Lebzeiten so ein Unding, dass es sie teilweise an den gesellschaftlichen Ruin getrieben hätte, wäre sie ihren Weg einfach so nach ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen gegangen.

Ihre Geschichte ist spannend und interessant. Lehrreich, aber nicht belehrend, sondern so unterhaltsam, dass ich die Seiten regelrecht inhaliert habe. Es gibt noch einen zweiten Erzählstrang. Eine weitere weibliche Hauptfigur, die mit den Gebräuchen ihres Jahrhunderts und ihrer Ehe, ihren Wünschen, Träumen und Hoffnungen zu kämpfen hat, und eng mit Katharinas Lebensweg verbunden ist. Inhaltlich möchte ich dazu aber nichts sagen, um nicht zu viel zu verraten.

Wie schon viele Male zuvor, konnte Micaela Jary mich auch mit "Die Villa am Meer" wieder sehr begeistern. Große Leseempfehlung für Alle, die gerne eine interessante und lesenswerte Reise durch die Geschichte unternehmen und Lust haben auf starke Figuren mit Charakter.

Buchinfo:

Goldmann (2017)
512 Seiten
Taschenbuch
9,99 €

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