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10.06.18

Zwischen den Zeilen lesen: der besondere Erzählstil von Tamara Bach


Damaris vom Blog Damaris liest und ich haben einen ähnlichen Buchgeschmack und tauschen uns gerne über unser Gelesenes aus. Vor einiger Zeit stach uns "Mausmeer", der neue Roman der deutschen Autorin Tamara Bach ins Auge. Wir beide hatten bereits eines ihrer Bücher mit Begeisterung gelesen. Begeisterung deshalb, weil sie sich aus einer breiten Masse hervorhebt. Das gefällt Damaris und mir so gut, dass wir beschlossen alle Bücher Bachs, die im Carlsen Verlag erschienen sind, zu lesen. Am Ende des Beitrags verlinke ich alle unsere Rezensionen.




Inhaltlich unterscheiden sie sich nicht unbedingt von anderen Büchern für eine jugendliche Zielgruppe, weil sie Themen verarbeiten, die für Jugendliche / Heranwachsende an der Tagesordnung sind. Die zu den Themen gehören, die junge Menschen in den Umbruchphasen von Pubertät und Schulwechsel bzw. Schulabschluss beschäftigen. Doch in der Umsetzung dieser Themen unterscheiden sie sich stark von anderen. Und sie können problemlos von Erwachsenen gelesen werden.

Welche Themen das sind und wie sie wirken, damit hat sich Damaris in ihrem Artikel "Die Wahrhaftigkeit im Jugendbuch" ausgiebig beschäftigt.




Zwischen den Zeilen lesen. Ein offenes Auge und Ohr haben für Zwischentöne, für Melodien, die nicht offensichtlich sind. Raum für eigene Gedanken und Fantasien. Das finden wir eher selten im Jugendbuch und es bedarf meist einer recht komplexen Schreibe, an die sich nicht jede(r) Autor(in) heranwagt. 

In Tamara Bachs Büchern finden wir ganz genau so eine komplexe Schreibe. Vom Grundaufbau ähnelt sich ihr Erzählton in jedem Buch und doch habe ich bei jedem einzelnen Roman das Gefühl, dass sich der besondere Stil und die Handlung so miteinander verweben, dass sie wieder ganz individuell werden. Thema und Ton fügen sich in eine ganz eigene Harmonie, die Tamara Bach nicht bewusst wählt, die aber immer dafür sorgt, dass ich mich aufgefangen fühle. Auch dann, wenn die Themen mal etwas schwieriger werde.

Ich kann in ihren Büchern einfach eine oberflächliche, gut erzählte Geschichte entdecken oder ich nehme mir Zeit für Zwischentöne. Für Melodien, die für mich singen. Erinnere mich daran, wie es in meiner eigenen Jugend war, erkenne Gefühle wieder oder stelle mir Fragen, die mich in meiner aktuellen Situation weiterbringen (in "Marienbilder" geht es z.B. auch um die Beziehung zwischen Mutter und Tochter). Gedanken für die mir Tamara Bach mit ihrer komplexen Schreibe Raum lässt. Sie drängt mich in keine Schublade, sondern, lässt mir Platz zum mitdenken. Zum selber denken. Dazu meine eigenen Gedanken Flügeln zu geben.

Manchmal kommt sie auch von Hölzchen auf Stöckchen - das kenne ich nur zu gut aus meinem eigenen Denken - weil es so viele Dinge gibt, die gleichzeitig durchdacht und ausgesprochen werden können. Damit liefert sie mir auch nach dem Lesen noch ganz viel Material und das gefällt mir richtig gut.




1. Warum haben Sie für sich das Jugendbuch als Genre ausgewählt? Beziehungsweise, was macht es für Sie so reizvoll Themen aufzugreifen, die für jugendliche Leser wichtig sind?
Ich bin da eher so reingeraten. Marsmädchen habe ich damals in England aus Langweile geschrieben. Aber auch, weil ich mal einen Text über die Zeit schreiben wollte, in der plötzlich alles anders wird. Wo man den kompletten Freundeskreis vielleicht austauscht, keine Unterhaltung mit der eigenen Mutter mehr führen kann, ohne sich zu streiten. Und Sehnsucht hat, ohne formulieren zu können, wonach. Einfach „mehr als das hier“ oder „anders als das hier“.
Das zieht sich vielleicht seitdem durch mein Schreiben, Sehnsucht, Veränderung. Und das ist eben - auch - symptomatisch für Jugend. Aber nicht nur.


2. Ihr Schreibstil ist sehr komplex. Warum haben Sie sich für einen Stil entschieden, der nicht alles auf den ersten Blick offen legt und dem Leser mehrere Perspektiven ermöglicht?
Das sind alles keine Entscheidungen, die man bewusst trifft. Wie auch das mit dem Jugendbuch. Also ICH treffe da keine bewussten Entscheidungen.
Dieser Schreibstil ist das Produkt meiner Entwicklung. Von Texten, die ich auch geschrieben habe, sei es mit fünfzehn, mit 28, dem Feedback was ich dazu bekommen habe, aber auch Texte, die ich gelesen habe. Irgendwann kristallisiert sich da eben ein eigener Stil raus, der zu meiner Art Geschichten passt. und der ist ja auch noch nicht fertig. ich glaube, in 20 Jahren wird der wieder ein bisschen anders sein. Der passt sich ja auch von Buch zu Buch an die jeweilige Geschichte und deren Protagonisten an.
Und es ist nicht meine Art dem Leser zu erklären, was er zu verstehen hat. 

3. Hat sich durch das Schreiben von Romanen Ihr Blick auf Ihr Umfeld oder die Umwelt verändert?
Ich glaube, man schreibt, weil man eh einen eigenen Blick auf die Umwelt hat und andere Dinge sieht. Das ist nur eine Theorie, dass Menschen, die kreativ arbeiten, weniger Filter haben, dass mehr rein kommt und man Wege sucht um alles Gesehene, Gehörte, Gefühlte zu verarbeiten. 




Rezensionen:


"Was vom Sommer übrig ist"

"Vierzehn"

"Marienbilder"

"Mausmeer"




Text & Fotos: © 2018, Nanni Eppner

2 Kommentare:

  1. Ich kenne von Tamara Bach nur "Busfahrt mit Kuhn", das ich mal für ein Seminar gelesen habe und auch das ist einerseits einfach ein unterhaltsamer Roadtrip und andererseits eine ganz besondere Umsetzung. Hat mir auf jeden Fall sehr gut gefallen und ich weiß gar nicht, weshalb ich später nichts mehr von der Autorin gelesen habe.

    Ein nicht wirklich dazupassendes Detail am Rande, dass mir gerade aufgefallen ist: Spannend wieder einmal, wie unterschiedlich regionaler Sprachgebrauch sein kann. Für mich ist "Schreibe" ein dermaßen negativ konnotiertes Wort (es ist in Österreich allgemein kein gängiger Ausdruck, aber wenn, dann hat er für mich einen abfälligen Beiklang), dass ich über die Bezeichnung "komplexe Schreibe" völlig gestolpert bin.

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    1. Vielleicht ist der Beitrag ja ein Anreiz für dich weitere Bücher der Autorin zu lesen. Mich würde sehr deine Meinung zu "Marienbilder" interessieren, auch wenn es inhaltlich nicht ihr "schönstes" Buch ist. Für mich aber technisch das Interessanteste.

      Das ist ja wirklich spannend, denn bei uns ist das ein gängiger Begriff für den Stil eines Autors / einer Autorin und völlig wertfrei. Aber gut zu wissen, vielleicht kann ich den Begriff demnächst umgehen, um keinen falschen Eindruck zu erwecken.

      Viele liebe Grüße, Nanni

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