29.12.20

Lesestress??





9 Jahre nach meinem letzten Besuch, kehre ich zurück nach Waringham. Verschwinde zwischen 1000 Seiten bester Spannung im Mittelaltersetting.

"Der dunkle Thron" ist der vierte Teil der Reihe von Autorin Rebecca Gablé. Band 1 "Das Lächeln der Fortuna" wird auf ewig eins meiner Lieblingsbücher sein. Wie sehr habe ich es früher geliebt in Gablés dicke Schmöker einzutauchen. Habe sie innerhalb weniger Tage inhaliert. Dann begann ich intensiver zu bloggen und - ganz ehrlich - damit kam auch der Lesestress.

Der Buchmarkt ist so schnelllebig. Eine Neuerscheinung folgt auf die nächste. Immer wieder die neuesten Bücher zu bekommen, ist sehr verlockend. Ich stürzte mich auf alle Vorschauen und las so schnell wie möglich, um möglichst viel lesen zu können. Für dicke Bücher fehlte oft die Geduld.

In diesem Jahr, in dem vieles überdacht, vieles entschleunigt wurde, änderte sich auch mein Leseverhalten. Es wächst der Wunsch nach mehr Autonomie, weniger an Rezensionsexemplare gebunden zu sein, mehr Blacklist zu lesen. Entspannter zu lesen.

Und dann kam die Sehnsucht nach Waringham zurück zu kehren. Einzutauchen in das wohlige Gefühl eines richtig guten, dicken Schmökers. Auch auf die "Gefahr" hin, dass ich lange am Buch lesen werde. Es ist so schön mal wieder entspannt zu versinken.

Welches Lesegefühl dominiert bei dir gerade? Bist du eher entspannt, liest du gehetzt oder fehlt dir aktuell sowieso die Ruhe zum Lesen? Magst du dicke Bücher oder kannst du eher dünne Romane (oder Sachbücher) genießen?

15.12.20

Zurück in Sommerby | Kirsten Boie (Illustrationen: Verena Körting)




 

Band 2 der Sommerby-Reihe von der Erfolgsautorin Kirsten Boie verspricht herbstliche Hygge-Stimmung: Endlich zurück in Sommerby! Zwar herrscht dort richtiges Schmuddelwetter, aber Martha, Mikkel und Mats freuen sich riesig, dass sie die Herbstferien bei Oma Inge verbringen dürfen. Wäre da nur nicht der fiese Makler, der es schon im Sommer auf Omas Haus abgesehen hatte und jetzt noch fiesere Tricks einsetzt. Da vergeht Oma Inge sogar die Lust auf ihren 70. Geburtstag. Aber das werden Martha, Mats und Mikkel auf keinen Fall zulassen!
(Text & Cover: © Oetinger; Foto: © N. Eppner)


Ich habe es so sehr genossen nach Sommerby zurückzukehren. Obwohl es dort turbulent zugeht, Oma Inge manchmal etwas ruppig ist und echt richtig spannende Dinge passieren, die einem Krimi in nichts nachstehen, umgibt mich auch diese Sommerby Geschichte mit einer wohligen Wärme, die mich an die Geborgenheit meiner Kindheit erinnert.

Überhaupt sind sich Sommerby und mein Bullerbü, der Ort meiner Kindheit, den ich gerne mit den wunderschönen Geschichten von Astrid Lindgren vergleiche, sehr ähnlich. Mitten in der Natur steht das kleine Haus von Oma Inge. Das Miteinander zwischen Mensch und Natur ist dort sehr wichtig. Man braucht sich, um zu überleben. Oma Inge kocht Marmelade aus den Früchten der Obstbäume, es gibt Frühstück aus dem Hühnerstall, Inge versorgt und pflegt Tiere, Garten, Bäume. Eine Symbiose, die gut tut. Die erdet und beglückt.

In Sommerby können Kinder Kinder sein. Das mögen auch Martha, Mats und Mikkel und deshalb sind sie gar nicht böse, dass sie in den Herbstferien wieder Oma Inge besuchen müssen. Sie freuen sich auf ein Wiedersehen mit Mensch und Tier. Dass die Ferien so turbulent werden würden, damit hatten sie allerdings nicht gerechnet. Der fiese Makler ist zurück und versucht Oma Inge mit Tricks und Gemeinheiten doch noch zum Verkauf ihres kleinen Häuschens zu zwingen. Und das ausgerechnet vor ihrem 70. Geburtstag, den sie ja auch gar nicht wirklich feiern will. Mit wem schon. Immerhin ist sie sehr eigen in ihrer Art und hat das Gefühl, dass sie sich damit nicht gerade beliebt macht. Wie liebenswürdig und hilfsbereit sie tatsächlich ist, verliert sie dabei gerne mal aus den Augen.

Auch für Martha wird es keine einfach Zeit. Immerhin hat sie sich beim letzten Besuch ein kleines bisschen - aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen - in Enes verliebt. Der verbringt seine Zeit allerdings mit einem Mädchen, das so hübsch ist, dass Martha sich gar nicht in die Nähe traut, um ihm zu sagen, was sie empfindet.

"Zurück in Sommerby" ist mindestens genauso wundervoll wie "Ein Sommer in Sommerby". Spannend, aber auch mit viel Gefühl, mit Blick auf Themen, die Kinder und Jugendliche ansprechen, erzählt Kirsten Boie eine Geschichte über Selbstwert, die Sehnsucht nach Natur, über Freundschaft und die Möglichkeit ich selbst zu sein. Obwohl als Kinderbuch verlegt, sollten die Sommerby Geschichten auch von Erwachsenen gelesen werden. Ganz zart regen sie zum Nachdenken an. Die Lesefreude, das Wohlfühlgefühl beim Lesen ist fantastisch und gibt mir als Leserin so viel. 


Buchinfo:

Oetinger (2020)
336 Seiten
Hardcover 14,00 €

Reiheninfo:

2. Zurück in Sommerby
3. Für immer Sommerby (voraussichtl.ET: 09/2021)


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

05.12.20

Gestüt Sommerroth 01: Emilies Erbe | Bianca Elliott


 

OSTPREUßEN 1945:
Für die zwanzigjährige Emilie ist das Gut Zimny in Ostpreußen der schönste Ort der Welt. Hier widmet sie sich ganz der Zucht ihrer geliebten Trakehner Pferde. Doch als die Rote Armee angreift, muss die Gutsherrntochter überstürzt fliehen. Inmitten größter Not trifft sie auf Leutnant Johann Sommerroth, der ihr und den Pferden in den Westen helfen will. Erstmals schöpft sie wieder Hoffnung. Dabei ahnt Emilie nicht, welche schweren Prüfungen noch vor ihr liegen.

SCHLESWIG-HOLSTEIN 2020:
Während der Vorbereitungen für das diesjährige Familientreffen auf Gestüt Sommerroth, sieht Marisa eine alte Dame auf der Allee zum elterlichen Anwesen. Es ist Emilie – ihre lange verschollene Großmutter, über die nie jemand spricht! Nur wenig später wird Marisa klar, die Vergangenheit des Gestüts enthält ein dunkles Kapitel. Aber was genau ist vor dreißig Jahren geschehen?
(Text & Cover: © Tinte & Feder; Foto: © N. Eppner)

Mit Tränen in den Augen und einem dicken Kloß im Hals beende ich "Emilies Erbe". Die Geschichte hat mich sehr berührt. Hat in mir Traurigkeit und Wut geweckt. Mich tief bewegt.

Es ist das Jahr 1945, als die Rote Armee die deutsche Front überrennt und Nationalsozialistische Regierung immer noch davon ausgeht, dass der Endsieg auf deutscher Seite sein wird. Ein Evakuierungsverbot wird ausgesprochen, doch Emilie von Zimny folgt den Anweisungen ihres Vaters und flieht mit den Bewohnern des Gutshauses, sowie den Pferden der von Zimnys. Darunter Trakehnerzuchtstuten. Fluchtziel ist das Landesgestüt Trakehnen, Hauptsitz der Zucht edler Trakehnerpferde, unter der Leitung von Gestütsmeister Ehlert, einem Freund des Gutsherren von Zimny. 

Eine Flucht in Schnee und Eis. In Kälte, Hunger und Not. Eine Flucht, wie ich sie nicht erleben möchte. Frauen, Kinder, Alte und Junge. Mit der Kleidung, die sie am Leib tragen und nur wenigem Hab und Gut. Die Pferde sind es, denen die Überlebenden verdanken, dass sie überhaupt eine Chance hatten. Sie zogen die Wagen durch schweren Untergrund, obwohl auch ihnen Kälte und Hunger zusetzte. 

Immer wieder sind sie Angriffen durch feindliche Soldaten, durch Flugzeuge oder Bomben ausgesetzt. Jede*r kämpft ums Überleben. Zwei- wie Vierbeiner.

Auf der Flucht trifft Emilie auf ihren Vater, der von einem NS-Soldaten verfolgt wird. Er hat von Zimny auf dem Kieker. Trachtet ihm nach dem sowieso schon gefährdeten Leben. Doch von Zimny hat einen Freund gefunden, der ihm auch in Lebensgefahr zur Seite steht. Johann Sommerroth aus Schleswig Holstein.

Dorthin reisen wir über die zweite Ebene des Romans. Es ist das Jahr 2020. Auf Sommerroth findet ein Familientreffen statt. Plötzlich taucht Emilie dort auf. Mit all ihren Geheimnissen und Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie wirbelt das Familienleben ordentlich durcheinander und erstmals wird über die schlimmen Erlebnisse des Kriegs und der Zeit danach gesprochen.

Die Rückblenden ins Jahr 1945 sind extrem spannend und Nervenaufreibend. Es sind vor allem die Szenen der Flucht, die mich emotional stark aufgerüttelt und berührt haben. Wenn ich solche Geschichten lese, die zwar fiktiv, aber mit so viel reellen Sequenzen gefüllt sind, kocht in mir die Wut hoch darüber, dass es immer noch Menschen gibt, die nicht verstehen, dass solch eine Zeit nie wieder kommen darf. Und dass unsere Situation während des Corona Lockdowns nicht mal ansatzweise damit vergleichbar ist. 

Als Pferdemächen hat mich natürlich besonders der Bezug zur Geschichte der Trakehnerpferde berührt. Die Flucht aus dem Landesgestüt (damals hieß es glaube ich Staatsgestüt) ist keine Fiktion. Das Gestüt, das einst eine sehr besondere, leistungsstarke und widerstandsfähige Rasse beherbergte, liegt heute in Schutt und Asche. Der Krieg hat nicht nur viele Leben gekostet, sondern auch viele kulturelle Schätze ausgelöscht.

Bianca Elliott, ein Pseudonym der Autorin Joël Tan, zeichnet ein sehr realistisches Bild der Kriegszeit, das mir sehr nahe ging. Ihre Figuren sind lebendig und wecken ebenfalls Emotionen in mir. Nicht nur positive, aber das ist ja von der Autorin so gewollt. Die Rückblende ins Jahr 1945 gefiel mir etwas besser, als der Erzählstrang der Gegenwart, aber gemeinsam funktionieren sie richtig gut und lassen den Roman zu einem wirklich sehr berührenden (ich kann es nicht oft genug sagen) und lesenswerten Buch werden. Ich kann es kaum erwarten Band 2 "Emilies Weg" zu lesen, der im Sommer 2021 erscheinen wird, und für den die Autorin schon einige Appetithäppchen im ersten Band ausgelegt hat.


Buchinfo:
415 Seiten
Taschenbuch 9,81 €


 Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

01.12.20

[Monatsrückblick] November 2020



Dezember. Der letzte Monat eines Jahres, das so ganz anders war, als erwartet. Ich bin müde darüber zu reden wie blöd alles ist. Wie sehr es mich trifft, dass wir alle Pläne über den Haufen werfen mussten, nicht in den Urlaub fahren konnten und Weihnachten anders feiern werden, als in den letzten Jahren.

Gestern, bevor ich diesen Beitrag schrieb, beendete ich "Gestüt Sommerroth", ein Roman, der im Zweiten Weltkrieg spielt. Im Winter. In Schnee und Eis flüchteten Menschen mit dem wenigen Hab und Gut, das sie in aller Eile fassen konnten, stellten sich der Kälte, überlebten sie oder auch nicht, mussten zuschauen wie Kinder in den Armen ihrer Eltern erfroren, wie die Nutztiere, die sie zum Überleben benötigten, auf dem Eis ausrutschten und sich die Beine brachen, wie geliebte Menschen im Eis einbrachen, erschossen oder zerbombt wurden.




Ich möchte niemandem die eigenen Gefühle absprechen. Jede*r von uns empfindet anders und wer traurig darüber ist, dass Weihnachten in diesem Jahr nicht so stattfindet, wie sonst, wer geliebte Menschen vermisst oder dringend Ruhe im Weihnachtsurlaub bräuchte, die/der soll das auch sein. Ich bin auch besonders privilegiert, da ich meine liebsten Menschen sowieso um mich habe, egal ob Corona unsere Kontakte einschränkt oder nicht. Aber seien wir mal ehrlich? Es ist nicht das schlimmste Weihnachten, das es jemals gab, oder?

Mein Vorschlag zum Weihnachtsfest: wir begehen es nach Isländischer Tradition (Jólabókaflóð), lesen die ganze Nacht und essen Schokolade. Kam aber leider nicht bei allen Familienmitgliedern gleich gut an... Irgendwann werde ich Weihnachten mal genau so feiern ;)


November:

63) "Arkadien brennt" | Kai Meyer | Carlsen
64) "Zugvögel" | Charlotte McConnaghy | S. Fischer
65) "Betty und ihre Schwestern" | Louisa May Alcott | Arena
66) "Arkadien fällt" | Kai Meyer | Carlsen
67) "Der Anhalter" | Gerwin van der Werf | S. Fischer
68) "Gestüt Sommerroth 01: Emilies Erbe" | Bianca Elliot | Tinte & Feder
69) "Glück und wieder: Lina und die Sache mit dem Wünschen" | Dagmar Bach | S. Fischer KJB

Gehört:
"Wild at Heart: Winterglück im Hotel der Herzen" | Anne Sanders | Sprecherin: Dagmar Bittner | audio media
"Weihnachten in der kleinen Sommerküche am Meer" | Jenny Colgan | Sprecherin: Vanida Karun | Osterwold 


Der November war wieder lesetechnisch wieder ein ausgesprochen guter Monat. 7 gelesene Bücher, die ich alle gern mochte.

Mit "Arkadien brennt" und "Arkadien fällt", habe ich 10 Jahre nach dem Lesen des ersten Bandes die Arkadien Trilogie abgeschlossen. "Arkadien brennt", der zweite Band, war für mich der beste und spannendste der drei. Kai Meyer hat es handwerklich einfach drauf, allerdings habe ich mich an zwei, drei inhaltlichen Dingen gestört, die das Lesen etwas holprig gestalteten.

Kommen wir zum zweiten Buch, das ich zwar mochte, aber mit weniger Begeisterung gelesen habe, als viele andere Leser*Innen. "Betty und ihre Schwestern". Der Klassiker von Louisa May Alcott ist sehr nett und herzig, ein gutes Porträt der Zeit, aber nicht alles, was die Schwestern erleben und machen, interessiert mich brennend. Ich werde mir aber noch eine Verfilmung der Geschichte anschauen. Kannst du eine empfehlen?

"Zugvögel" von Charlotte McConnaghy (Übersetzung: Tanja Handels) ist ein berührender Roman. Das Setting ist eine fiktive Zukunft, in der viele Tierarten ausgestorben oder vom Aussterben bedroht sind. Also gar nicht so fiktiv und das macht das Setting bedrückend. Die Geschichte der Protagonistin Franny ist dramatisch und gleichzeitig wärmend. Von tiefer Liebe und Sehnsüchten. Sprachlich wie inhaltlich ein Highlight.

Wie sehr mich "Der Anhalter" von Gerwin van der Werf (Übersetzung: Marlene Müller-Haas) fesselte, kannst du in der Rezension nachlesen. Ebenfalls ein Monatshighlight.

Zu Tränen bewegt hat mich "Gestüt Sommerroth. Emilies Erbe" von Bianca Elliott. Auf zwei Ebenen erzählt, reisen wir immer wieder in die Vergangenheit. In den zweiten Weltkrieg. Die Flucht aus Ostpreußen, die damit einhergehenden Ängste, Gewalttaten und Nöte. Eindringlich und spannend erzählt, wird die Geschichte sicher noch lange in meinem Gedächtnis bleiben (Hoffentlich bis zum Erscheinen von Band 2 im Juni 2021).

Die Bücher von Dagmar Bach mag ich einfach sehr. Sie sind herzlich, witzig, super sympathisch und locker flüssig erzählt. Mit diesen Büchern macht lesen einfach Spaß. Band 2 der Trilogie um Lina, die Glücksfee, hat mir wieder sehr gut gefallen.

Die beiden Hörbücher "Wild at Heart: Winterglück im Hotel der Herzen" | Anne Sanders und "Weihnachten in der kleinen Sommerküche am Meer" | Jenny Colgan konnten mich in weihnachtliche Stimmung versetzen. Letzteres ist für mich der stärkste Teil der Trilogie, die Schottland-Sehnsucht aufkommen lässt, obwohl ich dort noch nie war.

Für weitere Blogartikel war im November leider keine Zeit. 

Für die Ende gut - Alles gut Challenge konnte ich 5 Bücher zählen. 2 davon bedeuten den Abschluss einer Reihe.

Wie war dein Lesemonat November?


Im November:

...zeigte sich endlich mal wieder die Sonne...


...so dass ich wunderbar im Garten lesen konnte.


...verbrachte die Räubertochter 7 Tage in Quarantäne. Ich war nie dankbarer für unser großes Grundstück.


...während der Quarantänezeit backten wir Stutenkerle und zogen Martinsliedersingend mit unseren Laternen durch den Garten.



...durfte nach langem Hin und Her doch ein Lehrgang mit Richter Ralf Hollenbach stattfinden, an dem ich mit beiden Pferden teilnahm.



Das war mega anstrengend, aber sehr lehrreich und toll.



...haben wir den Sonnenschein genutzt, um endlich, endlich mal wieder in Ruhe ausgiebig spazieren zu gehen...



...und meine Bücher in der Morgensonne zu betrachten #booknerdproblems ;)



...hat die Räubertochter entdeckt, dass sie vielleicht auch Buchbloggerin wird.



...gab's Gulasch vom Feuer...



...und erste Weihnachtsbasteleien.



...freue ich mich wie jedes Jahr auf den Dezember, den ich sehr liebe.



Hab's fein und nimm dir Zeit für die Dinge,
die dich glücklich machen.


29.11.20

Der Anhalter | Gerwin van der Werf

 



Für Tiddo, Isa und ihren Sohn Jonathan soll es die Reise ihres Lebens werden, mit dem Wohnmobil durch Island. Schon immer hat es sie auf die mystische Insel gezogen. Nun endlich wird es was, muss es was werden – Tiddo erhofft sich von der Reise nicht weniger als die Rettung seiner Ehe. Doch dann nehmen die drei auf ihrem Roadtrip einen merkwürdigen Anhalter mit, der immer neue Gründe findet, um weiter mitzureisen. Der Fremde durchbricht die Zurückhaltung Jonathans, fasziniert Isa und fordert Tiddo heraus. Als das fragile Gleichgewicht der Familie endgültig zu kippen droht, sieht Tiddo in einer halsbrecherischen Fahrt zum Kratersee Öskjuvatn den einzigen Ausweg.
Wie weit geht ein Mensch, der Gefahr läuft, alles zu verlieren?
(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)

Welchen Sog entwickelt bitte dieses Buch? Nach wenigen Sätzen war ich schon mittendrin im Geschehen, konnte es kaum erwarten den Anhalter kennenzulernen und seinem Geheimnis, seiner Düsternis, der von ihm drohenden Gefahr auf den Grund zu gehen.

Eigentlich ist die Basis, um die van der Werf seine Geschichte strickt, keine Neue. Tiddo und Isa sind seit Jahren verheiratet. Als Außenstehende frage ich mich wie sie überhaupt zueinander finden konnten. Warum ihre Ehe schon so lange hält. Isa ist Wissenschaftlerin, analysiert, sucht nach Wahrheit, geht in die Tiefe, ist dabei aber wenig empathisch. Tiddo sucht Nähe, Wärme, Geborgenheit. Wünscht sich ein besseres Verhältnis zum Sohn, denkt mit Verständnis an die Fehler, die seine Mutter in der Erziehung begangen hat. 

Das Machtverhältnis zwischen Tiddo und Isa ist verschoben. Nicht gleichberechtigt, sondern eher wie das zwischen Mutter und Sohn. Isa versucht permanent zu erziehen, Fehler an Tiddo zu finden uns auszumerzen. Gefühlt versucht sie aus ihm eine perfektere Version zu machen, die er nicht sein kann. Tiddo traut sich nicht für sich einzustehen, nicht seine Wünsche zu äußern, seine Bedürfnisse in Worte zu fassen. Er sieht seine Felle davon schwimmen, bleibt aber weiterhin eher passiv.

Das ändert sich, als sie den Anhalter mitnehmen. Einen Baum von Mann, der Tiddo und Jonathan kumpelhaft begegnet und Isa mit Schmeicheleien umgarnt, für die sie mit ihrer kühlen Art immun ist. Doch Tiddo, Isa und Jonathan befinden sich auf Island. Der Insel, auf der göttliche Fügung möglich ist und magische Dinge passieren. 

Eine zerrüttete Ehe, der Wunsch nach mehr Nähe zwischen Partnern und / oder Eltern. Nicht neu, aber von Gerwin van der Werf auf unglaublich spannende Art erzählt. Er spielt mit den Ängsten seiner Protagonisten, mit dunklen Geheimnissen und wandelt irgendwo zwischen Realität und Fantasie. Am Ende des Romans frage ich mich, ob der Anhalter ein Mensch ist, wie er uns begegnen kann oder ob wir nicht alle etwas in uns tragen, das sich zu einer Macht wie dem Anhalter bündeln kann? 

Packend erzählt zieht van der Werf mich in eine immer wieder düster werdende Atmosphäre. Spielt mit Ängsten und Fehlern. Mit Menschlichkeit und Macht. Ganz klare Leseempfehlung für diesen handwerklich wie inhaltlich großartigen Roman.


Buchinfo:

S. Fischerverlage (2020)
288 Seiten
Hardcover 20,00 €
Übersetzung: Marlene Müller-Haas


Rezensionen: ©2020, Nanni Eppner

26.11.20

Vom Ende eines langen Sommers | Beate Teresa Hanika




Marielle lebt als Bildhauerin in Amsterdam. An einem der ersten warmen Frühlingstage kehrt die Vierzigjährige mit einem riesigen Strauß roter und blassrosa Tulpen vom Bloemenmarkt zurück und findet vor ihrer Wohnungstür ein Paket. Altmodisch verschnürt und geheimnisvoll. Der Inhalt: Tagebücher ihrer vor kurzem verstorbenen Mutter Franka. Ein Leben lang fühlte Marielle sich von ihr unverstanden. Immer war ihr diese stolze, kühle Frau fremd geblieben. Nun beginnt sie zu lesen. Von jenem langen Sommer 1944, den Franka auf einem Gut in der Toskana verbracht hatte. Von einer Begegnung, die das Leben der jungen Frau für immer veränderte. Und von einem Verhängnis, das über die Generationen hinweg zu wirken scheint.
(Text & Cover: © Randomhouse btb; Foto: © N. Eppner)


Bücher von Beate Teresa Hanika sind für mich ganz besondere Goldstücke. Hanikas Schreibe ist poetisch, fein, eindringlich. Ihre Worte gehen mir IMMER unter die Haut. Fast magisch ist ihre Fähigkeit mit Worten umzugehen. Ihre Fähigkeit mich hineinzuziehen in ihre Erzählungen, mit Sätzen zu umschließen wie eine warme Decke, obwohl die Themen, die sie anspricht, oftmals hart sind.

So auch in "Vom Ende eines langen Sommers", das mich in das Jahr 1944 reisen lässt. Ich spüre den Sommer, die Wärme, den Wunsch eine gute Zeit zu erleben, den Krieg endlich los zu sein. Ich begleite Franka, bin Franka, fühle ihren Widerstand, ihre Kraft, ihre Angst, um die Menschen, die ihr wichtig sind, aber auch ihr starkes Herz, das für Gerechtigkeit steht. 

Doch dann geschieht etwas. Die Welle der Gewalt, die der Krieg mit sich bringt, rollt auch über Franka. Sie muss ihr Herz in die Hand nehmen und sich der Frage stellen, ob es noch einen Unterschied zwischen Gut und Böse gibt. Ob der Wunsch nach Gerechtigkeit, danach den Grausamkeiten ein Ende zu setzen wirklich alle Mittel heiligt. Freundschaften, eigene Gefühle, Frankas ganzes Leben werden auf den Kopf gestellt.

Das, was sie im Sommer 1944 in der Toskana erlebt, prägt Franka für ihr ganzes Leben. Sie wird zur kühlen, unnahbaren Frau. Ist für ihre Tochter Mariella oftmals nicht zu erreichen. Die beiden Frauen gehen keine enge Bindung ein, obwohl beide den Wunsch haben, das es anders ist. Die Vergangenheit lässt es nicht zu. Beeinflusst Gegenwart und Zukunft. 

Mariella ist eine von vielen. Ein Kind der Nachkriegsgeneration, geprägt durch das, was ihre Eltern während des Krieges erlebten. Geprägt durch Emotionen, Ängste, Wut. Der Krieg hat mit Gewalt gewütet, viele Menschen getötet, aber auch nachhaltig zerstört. Nicht jeder ist in der Lage zum Alltag zurückzukehren, ohne das eigene Verhalten dem Erlebten anzupassen.

Im Roman wechseln die Erzählebenen. Ich lerne Franka kennen, frage mich, wer diese kühle Frau ist. Frage mich, warum sie ihrer Tochter gegenüber so abweisend ist. Warum sie ihr nicht mit mehr Liebe begegnen kann. Schritt für Schritt lerne ich sie kennen. Begleite sie in den Sommer 1944. Sehe, was sie sieht. Fühle, was sie fühlt. Betroffen, nachdenklich, aber auch versöhnt mit Franka, schließe ich das Buch. Bin wieder einmal begeistert von Beate Teresa Hanika, die mit einer Schreibe, die so zart ist wie ein feiner Sommerwind, einen großen Stein ins Rollen bringt. Die mit Poesie und Gedanken, die zwischen den Zeilen stecken, gegen das Vergessen schreibt.


Buchinfo:

btb (2018)
320 Seiten
Hardcover mit Schutzumschlag 22,00 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

19.11.20

Das Schwert der Totengöttin | Katharina V. Haderer




Als Sergent Erik Zejn degradiert und von der Hauptstadt ins Vorland versetzt wird, rechnet er mit Ereignislosigkeit und Langeweile. Doch dann erheben sich die Toten aus den Gräbern und greifen die Lebenden an.

Zejn steht vor der größten Herausforderung seines Lebens: Um die Menschen zu retten, muss er herausfinden, wie er die Toten für immer zurück unter die Erde schicken kann. Die Einzige, die mehr über die unheimlichen Vorgänge zu wissen scheint, ist die Kräuterhexe Mirage, doch Zejn ist sich sicher, dass man ihr nicht trauen kann.

Mirage ist keine Hexe, sondern Alchemistin und versucht alles, um die Bedrohung aufzuhalten. Nur deshalb ist sie immer in der Nähe, wenn die Toten erwachen. Schnell beginnt die Bevölkerung zu glauben, dass sie für die Angriffe verantwortlich ist und wendet sich gegen sie. Wenn Mirage sich selbst retten will, muss sie ihre Unschuld beweisen und die Toten für immer zurück unter die Erde bringen.

Weder Zejn noch Mirage ahnen, dass die Toten nicht ihre einzigen Feinde sind.
(Text & Cover: © Droemer Knaur; Foto: © N. Eppner)

Mirage, Zejn und ich sind keinen leichten Weg gegangen. Immer wieder war ich hin- und hergerissen, ob ich weiterlesen oder abbrechen möchte. Wiedergänger und ich - wir werden einfach keine Freunde. Klar wusste ich im Vorfeld, dass die Toten zurückkehren werden. Steht ja im Klappentext. Dass es sich bei dem Roman um ein Buch von Katharina V. Haderer handelt, hat mich dazu animiert es trotzdem zu lesen. Und genau dieser Punkt zog mich immer wieder zurück zur Geschichte von Mirage und Zejn.

Vor etlichen Monaten schon las ich ein Buch der Autorin und war richtig begeistert von ihrem Schreibstil. Lebendig, fesselnd, mit einer Prise Humor. So würde ich Haderers Stil bezeichnen. Diese Eigenschaften bringt sie nicht nur in die Geschichte mit ein, sondern auch in die Protagonisten. 

Mirage ist geheimnisvoll, düster, mutig und verletzlich zugleich. Sie möchte helfen. Möchte retten. Ebenso wie Sergent Erik Zejn. Das Mirage mit auf seiner Abschussliste steht, sorgt nicht gerade für eine gute Teambereitschaft zwischen den Beiden, obwohl sie das gleiche Ziel verfolgen. Mirages Fähigkeiten sorgen für Argwohn bei Zejn und den anderen Soldaten. Im Dorf sieht man sie jedoch als Retterin, als einzige Möglichkeit gegen das Böse anzugehen. Bis etwas dramatisches geschieht, dass den Blick auf Mirage verändert.

"Das Schwert der Totengöttin" ist Dark Fantasy vom Feinsten. Haderers Schreibe hat das gewisse Etwas, das sogar eine eher matte Geschichte zum Leuchten bringen kann. Der Auftakt ihrer Black Alchemy Reihe ist so einnehmend, dass ich trotz allem Unmut, den ich gegenüber den Wiedergängern verspüre, unbedingt weiterlesen musste. Die Spannung steigt mit jedem Kapitel und das Buch endet mit einer Offenbarung, die mehr als neugierig macht auf die Folgebände der Trilogie.


Buchinfo:

384 Seiten
Taschenbuch 9,99 €

Black Alchemy - Reihe:

1. Das Schwert der Totengöttin
2. Der Garten der schwarzen Lilien
3. Der Herrscher des Waldes


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner




05.11.20

Die Hütte des Schäfers | Tim Winton


 

Ein aufwühlender, so brutaler wie zärtlicher Roman über einen jungen Mann auf der Suche nach seinem Leben. Jaxie Clackton hat Angst, nach Hause zu gehen, seit seine Mutter gestorben ist. Sein Vater bedeutet für ihn nur Ärger und Gewalt, und am liebsten wäre es ihm, wenn er auch tot wäre – dummerweise hat dem Jungen noch keiner gesagt, dass man mit seinen Wünschen vorsichtig sein soll. Mit 15 Jahren ist Jaxie nun allein auf der Welt, in einem öden Kaff in Westaustralien, und wahrscheinlich glaubt ihm keiner, dass er seinen Vater nicht selbst umgebracht hat. Also läuft er davon, weg von den Menschen, immer Richtung Norden, direkt hinein in die heiße, wasserlose Salzwüste, eine tödliche Gefahr für jeden, der sich dort nicht auskennt. Eine Tour, die nur Träumer und Gejagte wagen. Mitten im Nirgendwo, am Ende seiner Kräfte stößt Jaxie auf einen einsamen alten Mann in einer verlassenen Schäferhütte, und obwohl sein Leben von ihm abhängt, weiß er nicht, ob er ihm trauen kann …
(Text & Cover: © Randomhouse; Foto: © N. Eppner)

Auf "Die Hütte des Schäfers" bin ich durch den Podcast Longstory Short gestoßen. Günter Keil lobt den Roman des Australiers, der bereits zweimal für den Man Booker Prize nominiert wurde, in höchsten Tönen und auch weitere Meinungen zum Buch fallen überwiegend positiv aus.

Der Klappentext sprach mich an. Gewalt in der Familie ist eins der Themen, mit denen ich mich beruflich auseinandersetzen muss. Trotzdem interessiert es mich immer wieder, wie es in der Literatur umgesetzt wird. Je mehr man über ein Thema weiß, je mehr man Worte, Erläuterungen und Darstellungen dazu verinnerlicht hat, desto besser kann man über diese Themen aufklären. Daher greife ich immer wieder zu Büchern, die von Gewalt handeln, von Familien, in denen keine Bindung, keine Beziehung stattfindet.

Auch in Jaxies Familie gibt es keinen Zusammenhalt mehr, seit die Mutter gestorben ist. Nichts wünscht er sich sehnlicher, als den Tod des Vaters. Als dieser dann tatsächlich eintritt, begreift er nicht mal ansatzweise, was das bedeutet. Er weiß nur, dass er der Hauptverdächtige ist und läuft weg.

Trotz all der positiven Stimmen zum Buch, habe ich den Roman abgebrochen. Wintons Schreibstil ist poetisch, aber gleichzeitig sehr rau. Er benutzt viele Kraftausdrücke, klingt rotzig und roh. So was mag ich nur in den seltensten Fällen, denn nur selten gelingt es, authentisch zu klingen. Tim Winton ist über 60 und nicht 15 Jahre alt und das merke ich vor allem an der Sprache, die mir den Spaß am lesen verdirbt. Es mag eine gute Geschichte sein, aber mich konnte Winton mit seinem Stil einfach nicht erreichen.


Buchinfo:

Luchterhand (Juli 2019)
304 Seiten
Hardcover 22,00 €
Übersetzung: Klaus Berr

[Monatsrückblick] Oktober 2020




Es ist November. Wie schon im März diesen Jahres sitzen wir Zuhause und harren der Dinge, die da kommen. Wie auch im Frühjahr ist es die Ungewissheit, die mich am meisten durcheinanderbringt. Wie wird es für uns beruflich weitergehen? (Im Moment läuft zum Glück noch alles, aber wir warten noch auf eine Länderverordnung) Bleiben unsere Lieben gesund? Kommen wir gut durch die dunkle Jahreszeit? 

Ich kann mit den neuen Regeln leben. Sie sind dafür da, um uns zu schützen, auch wenn ich nicht alle nachvollziehen kann. Ich hatte ein gutes Jahr und kann viele der Dinge mit in eine schwierigere Zeit nehmen, aber so langsam fehlen mir die ein oder anderen Kontakte und auch die Möglichkeit mal etwas mehr, als die eigene Heimat zu sehen. Rauskommen mit meinen Liebsten.

Wie ergeht es dir mit dem neuen Lockdown light? 

Ansonsten denke ich - wie jeden Monat - wo ist die Zeit hin? Hat der Monat nicht gerade erst angefangen? Was habe ich eigentlich in den letzten 31 Tagen getan? Damit ich mir das besser merken kann, habe ich im Oktober angefangen Tagebuch zu schreiben. Dafür nutze ich das Dankbarkeitstagebuch von Ein guter Plan. Neben Notizen zum vergangenen Tag, gibt es die Möglichkeit Dinge aufzuzählen, für die wir dankbar sind. So sind es die guten Gedanken, mit denen der Tag abgeschlossen wird. Eine schöne Idee, die mir schon an manchen Tagen geholfen hat, meinen Fokus zu verändern und manches positiver zu betrachten.




An meinem Lesemonat Oktober gibt es gar nichts negatives zu benennen. 



Oktober:

57) "Elfenkönigin" | Bernhard Hennen | Heyne
58) "Zurück nach Sommerby" | Kirsten Boie | Oetinger
59) "Zwei Handvoll Leben" | Katharina Fuchs | Droemer Knaur
60) "Happy Ever After 01: Wo das Glück Zuhause ist" | Jenny Colgan | Piper
61) "Die Hütte des Schäfers" | Tim Winton | Luchterhand
62) "Bergsalz" | Karin Kalisa | Droemer Knaur

Hörbücher:
"Wild at Heart. Willkommen im Hotel der Herzen" | Anne Sanders | Sprecherin: Dagmar Bittner
"Arkadien erwacht" | Kai Meyer | Sprecher: Andreas Fröhlich





Alle Bücher waren richtig toll. Vier von sechs gelesene Bücher sogar richtige Highlights.

Begonnen habe ich den Oktober mit einem Buch für die Ende gut - Alles gut Lesechallenge, in deren Rahmen begonnene Reihen beendet werden sollen. "Elfenkönigin" ist der vierte und letzte Teil einer meiner absoluten Lieblingsreihen und kann problemlos an Atmosphäre, Spannung und Genialität an die Vorgängerbände anschließen. Bernhard Hennens Fantasyreihe ist nicht nur absolut fesselnd, sondern spiegelt immer wieder Themen des Nationalsozialismus, die nicht immer auf den ersten Blick zu erkennen sind, was für mich einen besonderen Reiz am Lesen ausmacht. 

Ich bin so, so gerne zurückgereist nach Sommerby. Habe gemeinsam mit Mats, Mikkel und Marta eine spannende und herzliche Zeit bei Oma verbracht und freue mich schon auf die nächsten Ferien in Sommerby (Winter 2021). Eine so lesenswerte Kinderbuchreihe, die ich von Herzen empfehlen kann.

"Zwei Handvoll Leben" ist die Geschichte der Großmütter der Autorin Katharina Fuchs, die mich mit den Aufzeichnungen dieser beiden, durch die Dramatik ihrer Zeit geprägten Frauen, sehr bewegt hat. Bis spät in die Nacht hinein habe ich gelesen, um Anna und Charlotte auf ihrem Lebensweg zu begleiten und freu mich schon sehr die Familie bald in "Neuleben" wiederzutreffen.





Von Autorin Jenny Colgan habe ich bereits "Die kleine Sommerküche am Meer"- Trilogie (fast komplett) gelesen und "Die kleine Bäckerei am Strandweg"-Trilogie. Beides Wohlfühlbücher mit kleinen Schwächen, etwas kitsch, aber viel Herzlichkeit. Mit ihrer neuen Reihe "Happy Ever After" trifft sie dank der Protagonistin Nina, die absolut vernarrt in Bücher ist, genau meinen Geschmack. Wieder mit kleinen Schwächen, die ich aber gerne übersieht, weil Colgan mich einfach absolut in Wohlfühlmodus versetzt.

"Die Hütte des Schäfers" ist schwere Kost. Häusliche Gewalt durch den Vater. Verpackt in ein Roadmovie. Die Sprache derb, roh, eindringlich. Manchmal zu derb und zu wenig Emotionen auslösend. Alles in Allem aber eine gute und wichtige Geschichte.

"Bergsalz" ist eins der Bücher, die du all deinen Freundinnen schenken möchtest. Ein Buch vom Miteinander, vom Überwinden von Distanzen, von Einsamkeit und Gemeinsamkeit. Eine Geschichte, wie wir sie gerade in der jetzigen Zeit gebrauchen können.

Welche Bücher hast du im Oktober gelesen? Welches war dein Monatshighlight?

Im November habe ich mein Abo für Bookbeat mal wieder aktiviert. Gehört habe ich "Wild at Heart. Willkommen im Hotel der Herzen" von Anne Sanders, das nicht so kitschig ist, wie der Name vermuten lässt, sondern ein sehr netter Liebesroman mit Wohlfühlcharakter. Außerdem den ersten Band der Arkadien-Reihe, um mein Wissen wieder aufzufrischen und im November dann die beiden weiteren Bände zu lesen und damit die Reihe abzuschließen.

Im Oktober:


...durfte das kleine Mädchen auf dem großen Pferd reiten...




...und das große Mädchen auf dem (20 cm) kleineren.



...haben wir Kastanien gesammelt...



...und Kürbisse...



...sind durch Herbstwälder gelaufen...


...und haben Pilze entdeckt, in denen ganz bestimmt Wichtel wohnen.



...habe ich eine Kürbiquiche gebacken...



...und die Kinder das Fenster herbstlich bemalt...



...sind wir einen Tag an den Möhnesee gefahren...



...und haben dort ganz viel Energie getankt.


...war ich ganz beseelt vor Glück...



...habe mit den Kindern die letzten Kartoffeln im Garten geerntet.


...und leckere Igelplätzchen gebacken.



...habe ich versucht die gute Dinge im Blick zu behalten und für düstere Tage zu speichern.


Komm gut durch den November. 
Bleib gesund und gib auf dich Acht.


26.10.20

Zwei Handvoll Leben | Katharina Fuchs






Zwei starke Frauen – zwei deutsche SchicksaleUnd die Geschichte des Berliner Kaufhauses KaDeWe in einem anrührend authentischen historischen Roman

Deutschland 1914: Charlotte wächst auf dem archaischen Landgut ihres mächtigen Vaters in Sachsen auf. Die Welt scheint ihr zu Füßen zu liegen, als sie von ihrer Tante und deren jüdischem Ehemann in die Leipziger Ballsaison eingeführt werden soll. Sie begegnet ihrer ersten Liebe. Doch der Beginn des ersten Weltkriegs zerstört ihre Pläne. Und ihr Leben verändert sich für immer.

Gleichzeitig gelingt es Anna, zwischen den Wasserstraßen des Spreewalds, wo Verzicht und harte Arbeit erfinderisch machen, dem Schicksal immer wieder ein Schnippchen zu schlagen. Doch sie verkennt die tiefe Liebe ihres besten Freundes, bevor er an die Westfront zieht. An einem eiskalten Tag im Februar 1919 steigt die neunzehnjährige Schneiderin alleine in den Zug nach Berlin. In den engen Hinterhöfen des Wedding prallen Hunger und Armut auf den ungezügelten Lebensdurst der beginnenden zwanziger Jahre. Und im Konsumtempel KaDeWe sucht man Verkäuferinnen …

Anna und Charlotte werden sich erst 1953 in Berlin begegnen. Hinter ihnen liegen zwei Weltkriege und ihr deutsches Schicksal. Es ist die Ehe ihrer Kinder, die die beiden ungleichen Frauen zusammenführt, und eine tiefe Verbundenheit durch denselben Schmerz, den sie noch nie zuvor einem anderen Menschen anvertraut haben.
(Text & Cover: © Droemer Knaur; Foto: © N. Eppner)


Die doppelte Portion Kaffee benötige ich am Tag, nachdem ich "Zwei Handvoll Leben" beendet habe. Bis tief in die Nacht habe ich gelesen. Das passiert mir in den letzten Jahren eher selten, doch die Geschichte von Charlotte und Anna hat mich einfach nicht losgelassen. Ich fühle mich zerrissen und tief betroffen. Obwohl ich um die Grausamkeiten der beiden Weltkriege Bescheid weiß, berühren und beschämen sie mich immer wieder. Besonders dann, wenn sie so eng mit einer realen Geschichte verknüpft sind.

"Zwei Handvoll Leben" ist die Geschichte der Großmütter der Autorin. Beide haben den ersten, sowie auch den zweiten Weltkrieg überlebt. Nicht ohne Blessuren, nicht ohne Narben. Sehr unterschiedlich aufgewachsen und doch schlagen ihre Herzen gleich, mussten ähnliche Verluste, Ängste und Sehnsüchte durchleben. Das Schicksal führt sie zusammen, als ihre Kinder den Bund der Ehe eingehen.

Anna stammt aus armen Verhältnissen. Sie ist ungestüm, geradeheraus und manchmal etwas unbedarft. Eigenschaften, die auch Charlotte in sich trägt. Doch während Charlotte recht behütet auf einem Gutshof aufwächst, auf dem es auch während Kriegszeiten ausreichend Nahrung gibt, erfährt Anna schon in jungen Jahren, was es heißt mit Armut und Hunger konfrontiert zu sein. Beide arbeiten für ihre Ziele. Charlotte ruht sich nicht auf dem Wohlstand aus, den der Gutsbesitz mit sich bringt, sonder versucht sich einzubringen so gut es ihr als junge Frau möglich ist. Sie lehnt sich gegen die Grenzen ihres Vaters, ein jähzorniger, herrischer Mann, auf und geht ihren Weg. Auch Anna treibt es in die Unabhängigkeit. Ein schwerer Weg für eine Frau in dieser Zeit.

Beide Frauen verlieren ihr Herz. So zielstrebig sie ihren Weg im Alltag gehen, so verloren sind sie in der Liebe. In beider Leben gibt es einen Mann nach dem die Sehnsucht groß ist, ein Zusammenleben aber durch bestimmte Wege des Schicksals nicht möglich.

Der Erzählstil der Autorin ist sehr klar, sachlich, aber nie trocken, sondern so lebendig, dass ich das Buch nur ungern aus der Hand lege. Die Sprache der Zeit angepasst und trotz der Liebesgeschichte, die immer wieder ins Leben der Protagonistinnen tritt, keineswegs romantisiert oder kitschig. Trotzdem gelingt es Katharina Fuchs große Gefühle bei mir auszulösen. Emotionen, die vor allem durch die schlimmen Taten dieser Zeit hervorgerufen werden. Die Geschichte der beiden Frauen ist von Dramatik durchgezogen. Die Stärke mit der sie ihren Lebensumständen begegnen, hat mich tief berührt. "Zwei Handvoll Leben" ist einer der besten Romane, die ich aus dem Setting 1. / 2. Weltkrieg gelesen habe.


Buchinfo:
Droemer Knaur (2020)
544 Seiten
Taschenbuch 9,99 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

23.10.20

[Räuberkinder] Was sucht Lieselotte? Das große Such- und Finde- Wimmelbuch | Alexander Steffensmeier



Meine große Tochter ist gerne Fan von etwas. Gemeinsam sind wir Fan von Lieselotte. Schon lange. Seit wir die schwarz-weiße Kuh entdeckt haben, stürzen wir uns in ihre Geschichten. Gehen mit ihr baden, tanzen zum Apfelkuchenlied und lernen die Uhr. Klar, dass auch das große Such- und Finde-Wimmelbuch bei uns einziehen musste. Kaum etwas macht den Kindern beim abendlichen Vorlesen mehr Freude, als aktiv daran teilzunehmen. Durch Wimmelbücher schulen Kinder nicht nur Auge und Konzentration, sondern lernen auch Alltagsgegenstände bzw. Tiere, Fahrzeuge whatever, zu benennen. Lern- und Spaßfaktor sind hier etwa gleich stark.



Wer Lieselotte noch nicht kennt, sollte wissen, dass bei ihr Zuhause auf dem Bauernhof immer viel los ist. Schweine, Pony und die verrückten Hühner, sowie Lieselottes Job als Postkuh, sorgen dafür, dass es bei ihr Zuhause immer turbulent hergeht. Kein Wunder, dass auch ihre Suchbilder trubelig und bunt sind. Vollgepackt mit vielen Sachen.



Durch die Fülle an Gegenständen auf dem Bild, ist das Suchen bzw. Finden der dargestellten Suchobjekte nicht ganz einfach. Gehobenes Findeniveau würde ich sagen und damit perfekt für die große Tochter, die ja bereits 4+ alt ist. Für das kleine Räubermädchen ist es manchmal noch etwas schwierig den ein oder anderen Gegenstand zu finden, aber deshalb haben wir beim Suchen nicht weniger Spaß. 




Für mich als Vorlesemama ist das sogar eher schön, denn es gibt immer mal wieder ein neues Detail zu entdecken und auch nach dem gefühlt drölfzigsten Durchsehen des Buches müssen wir immer noch genau schauen, was wo ist und kennen nicht jedes Bild auswendig. Das liegt auch am tollen Illustrationsstil von Alexander Steffensmeier, der noch recht realistisch ist (vereinfacht das Erkennen der Gegenstände), aber trotzdem wunderbar nach Zeichnungen, Fantasie und Spaß aussieht.

Neben allen anderen Lieselotte Büchern, können wir auch "Was sucht Lieselotte?" von Herzen empfehlen.


Buchinfo:
ab 24 Monate
Gebundene Ausgabe (Pappbilderbuch) 
10,00 €

21.10.20

Das Kino am Jungfernstieg | Micaela Jary




November 1946: Die Film-Cutterin Lili Paal kehrt aus Berlin in ihre Heimatstadt Hamburg zurück. In der im Krieg zerbombten Innenstadt besitzt ihre Mutter ein ehemals glamouröses, nun wenig erfolgreiches Kino, das Lilis Halbschwester Hilde und deren Mann unbedingt schließen möchten. Lili will keinesfalls aufgeben, wurde im elterlichen Lichtspielhaus doch ihre Leidenschaft für den Film geweckt. Gleichzeitig sucht sie nach den Negativen eines im Krieg verschollenen Streifens, den sie restaurieren möchte. Dabei lernt Lili sowohl den smarten britischen Offizier John Fontaine als auch den charismatischen Regisseur Leon Caspari kennen. Bringt der gesuchte Film Licht in einen mysteriösen Todesfall, der Lili mehr betrifft, als sie ahnt?
(Text & Cover: © Goldmann; Foto: © N. Eppner)


Die Bücher von Micaela Jary fühlen sich an wie Heimat. Ich bekomme ein wohliges Gefühl, wenn ich die ersten Sätze, die ersten Seiten in einem ihrer Romane lese. Es sind keine Bücher, die sich in der Komfortzone bewegen, denn Micaela schreibt über ein Kapitel unserer Geschichte, das alles andere als schön ist. Aber ich weiß, egal welchen ihrer Romane ich aufschlage, ich werde eintauchen in das Leben spannender Personen, werde etwas lernen, werde unterhalten und am Ende mit vielen Emotionen im Bauch das Buch zur Seite legen und mich auf ihren nächsten Roman freuen.

In das Kino am Jungfernstieg reisen wir in das Jahr 1946. Lili Paal hat ihren Wunsch erfüllen können und einen Beruf beim Film ergattert. Sie ist Cutterin und so gut in ihrem Beruf, dass sie sich in der Filmstadt Berlin längst einen Namen gemacht hat. Nach langer Zeit kehrt sie zurück zu ihrer Mutter, die ehemals ein Kino mit ihrem verstorbenen Mann betrieben hat. Im Jahr 1946 lebt sie bei Lilis Tante und deren Familie, ist bettlägerig und wird von der Verwandtschaft mehr schlecht als recht versorgt. Lili ist entsetzt über den Zustand ihrer Mutter, die Geldgier ihrer Tante und den Machenschaften ihres Onkels, und entschließt sich in Hamburg zu verweilen, um die Mutter zu versorgen. 

Lili lernt den britischen Offizier John Fontaine kennen. Es entsteht ein fast freundschaftliches Band zwischen den Beiden. Micaela Jary nutzt diese Konstellation ihrer Figuren, um darzustellen, wie die gesellschaftliche Situation in der Nachkriegszeit aussah. Die Kluft zwischen Briten und Deutschen ist groß. Man misstraut sich auf beiden Seiten, aber es schimmert immer ein Gefühl von Menschlichkeit durch, das sicher auch dafür gesorgt hat, dass die Menschen in den Ende 40ern / 50er Jahren wieder so auf die Beine gekommen sind und dass wir alle unsere Schubladen, in denen wir schwarz-weiß denken, verlassen sollten.

John Fontaine ist nicht der einzige Mann, den sie in Hamburg kennenlernt. Der Filmregisseur Leon Caspari arbeitet ebenfalls dort und sucht das Kino am Jungfernstieg auf, das Lilis Eltern gehört und kurz vorm Ruin steht. Caspari weiß etwas, das er vor Lili verheimlicht. Es gibt Geheimnisse, die Lilis Leben unerwartet aus der Bahn werfen. Der Roman erhält dadurch eine Spannung, die fast einem Krimi gleicht, und so war es kein Wunder, dass ich regelrecht durch die Seiten geflogen bin.

"Das Kino am Jungfernstieg" ist eine authentische Reise in das Hamburg der Nachkriegszeit. Ich bekomme einen tollen Einblick in das Filmgeschäft der 40er Jahre, in die Probleme, die Film und Fernsehen durch die Nazis und deren Zensur erleben mussten. Autorin Micaela Jary hat sich einem Thema angenommen, dass sie vor allem durch ihre Kindheit begleitete. Geboren und aufgewachsen in Hamburg, mit einem Vater, der als Filmkomponist arbeitete, sind ihr nicht nur die Schauplätze ihres Romans sehr vertraut, sondern auch Atmosphäre und Historie des Kinos und der Filmarbeit. Das spürt man beim Lesen und lässt "Das Kino am Jungfernstieg" zu einem unterhaltsamen wie auch lehrreichen Roman werden. Es ist der Auftakt einer Trilogie auf deren Fortführung ich mich sehr freue.


Buchinfo:

Goldmann (2019)
368 Seiten
Paperback 13,00 €

Reiheninfo:

1. Das Kino am Jungfernstieg
2. Das Kino am Jungfernstieg. Der Filmpalast (voraussichtlicher ET: Feb. 2021)
3. ?


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner