21.02.20

Der Gutshof im Alten Land | Micaela Jary




Frühling 1919: Edzard von Voss, der Patriarch eines herrschaftlichen Gutshofs im Alten Land, liegt im Sterben. Seine Söhne sind im Krieg vermisst und wahrscheinlich gefallen, der Erbe wäre nun sein raffgieriger Neffe Roland, den Edzards Tochter Finja aus Familienraison heiraten soll. Unerwartet steht jedoch ein Kamerad des jüngsten Sohnes Lennart vor der Tür, der diesem ähnlich sieht. Edzards Frau beschließt, den angenehmen Fremden als ihren Sohn auszugeben. Der Schwindel gelingt, Finja ist frei – sehr zum Ärger von Roland. Doch dann taucht plötzlich eine junge Frau auf, die behauptet, Lennart sei der Vater ihres kleinen Kindes ...
(Text & Cover: © Randomhouse; Foto: © N. Eppner)

Bücher von Micaela Jary sind für mich wie ein Nest, in das ich mich immer wieder betten kann, um mich geborgen und wohl zu fühlen. Ich weiß was auf mich zukommen wird. Ich werde unter Garantie einer guten Geschichte begegnen. Einer spannenden, ausgiebig recherchierten, authentisch wirkenden Geschichte mit starken Figuren. Das hat gar nichts mit Vorhersehbarkeit zu tun, sondern mit Micaelas handwerklichem Können.

Vorhersehbar ist der Roman "Der Gutshof im Alten Land", der im Jahr 1919 spielt, keineswegs. Die Handlung steckt voller Überraschungen und wie immer, wenn ich eins der Bücher von Micaela Jary lese, kann ich das gute Stück kaum aus der Hand legen und verschlinge es in zwei, drei Leseeinheiten.

Die Schreibe ist eingängig, erfahren im Beschreiben von historischen Begebenheiten unter Hinzunahme von fiktiven Personen und Handlungen. Meine Reise in die Vergangenheit bedurfte nur weniger Seiten, um anzukommen, um mittendrin zu sein im Geschehen und der Atmosphäre dieser Zeit, die geprägt ist von Verlusten, Ängsten und der Hoffnung auf ein besseres Leben. Eine politische Umbruchsstimmung, die wir in "Der Gutshof im Alten Land" zwar nur am Rande mitbekommen, die aber dennoch deutlich zu spüren ist.

Alle verhoffen sich etwas von dieser Zeit nach dem Krieg. Finja, die Tochter von Gutsbesitzer Edzard von Voss, möchte Tiermedizin studieren - zu dieser Zeit eine noch eher ungewöhnliche Tätigkeit für eine junge Frau, vor allem, wenn sie dem (Land)Adel entspringt. Ungewöhnlich, aber nicht mehr abwegig, denn faktisch steht ein Umbruch bevor, der den Adel mit ganz neuen Lebensumständen konfrontieren wird, und auch die Rechte der Frauen werden sich ändern. 1919 dürfen  sie erstmalig wählen.

Finja ist starrköpfig und weiß nicht nur, was sie möchte, sondern auch, was sie nicht möchte. Ihren Cousin Roland heiraten. Das wird sie aber müssen, wenn sie weiterhin für die Belange des Gutes verantwortlich sein möchte. Da ihre Brüder beide verschollen sind, ist Roland der nächstmögliche Erbe. Vater Edzard von Voss liegt bereits im Sterben und ein Nachfolger wird in Bälde eingesetzt werden müssen.

Doch dann: ein unerwarteter Lichtblick. In Form von Clemens Curtius, einem Kriegskameraden Lennarts, der dem jungen Gutsherren zur Verwechslung ähnlich sieht. Caroline von Voss bittet Clemens kurzfristig in die Rolle ihres Sohnes zu schlüpfen, um Edzard von Voss am Sterbebett einen Herzenswunsch zu erfüllen. Ob dieses Verwirrspiel sinnvoll ist oder ob damit erst recht eine Tragödie beginnt, das muss schon jeder selbst herausfinden.

Ich kann nur sagen, dass ich wieder einmal völlig gefesselt war, von Micaela Jarys Fähigkeiten Leserinnen und Leser abzuholen und in eine Geschichte hinzuversetzen. Kopfkino pur und wie immer eine große Leseempfehlung.


Buchinfo:

Goldmann (2018)
416 Seiten
Taschenbuch 10,00 €



Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

1 Kommentar:

  1. Ich Folge Ihrem blog regelmäßig. Tolle Artikel, die Sie schreiben. Ich nehme Ihre Vorschläge sehr ernst.

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