31.05.20

[Waldrauschen] Meditation. Meine tägliche Begleitung.




Meditation? Das ist nichts für mich. 

Ruhe und Konzentration, wenn im Kopf alles durcheinanderwirbelt und Hände und Füße in Bewegung bleiben möchten? Ne. Geht gar nicht.

Geht doch. Sehr gut sogar. Und noch viel weiter.
Meditation beruhigt, hilft die Gedanken zu sammeln, zu ordnen, zu fokussieren. Meditation stärkt.

Wieso? Weshalb? Warum?

Schlafen ist schon seit meiner Kindheit mein Endgegner. Einschlafen ist okay. Durchschlafen weniger. 
Früher habe ich nachts einfach gelesen, wenn ich nicht schlafen konnte und bin dann am nächsten Tag nicht zur Schule gegangen. Heute funktioniert das so leider nicht. Tagsüber warten zwei kleine Räuber auf Beschäftigung und auf eine Mama, die nicht schlecht gelaunt ist. Es gibt jeden Tag viel zu erledigen und dafür benötige ich Energie. Schlaf ist elementar wichtig, um gestärkt und gesund zu sein.

Ganz oft ist es so, dass ich tagsüber so viele Aufgaben erledige, dass es mir abends schwer fällt meinen Motor herunterzufahren. Ich nenne es gerne meine Rädchen, die nicht aufhören zu rollen.
Hinzu kommen Muskelverspannungen, die z.B. vom Tragen der Kinder herrühren. Ich habe schon immer einen sehr hohen Muskeltonus und daher neige ich zu Verspannungen.



Als 2018 das kleine Räubermädchen geboren wurde, ist mein Schlafrhythmus komplett zusammengebrochen. Fast ein Jahr habe ich nachts alle zwei Stunden gestillt, wenn es gut lief alle drei, während Entwicklungs- oder Wachstumsschüben gern auch mal stündlich (an alle Nicht-Mütter: keine Sorge, dass ist nicht der Regelfall ;)). Wenn ich gerade wieder eingeschlafen war, musste ich wieder die Augen öffnen oder zumindest meinen Kopf wieder soweit anschalten, dass ich meine Arme bewegen konnte. Das hat langfristig dafür gesorgt, dass ich mich nicht mehr ausgeschlafen fühlte oder schon abends um 18 Uhr zu Bett ging, um überhaupt halbwegs ausgeschlafen zu sein

Durch Instagram hatte ich schon häufiger von Meditationsapps gehört. Ich probierte die App 7 Mind in der Free Version aus (dazu gibt es auch einen guten Podcast und Newsletter).

Zwei, drei, vielleicht auch fünf Tage, versuchte ich morgens mit einer Meditation zu starten. Das Gefühl mir Zeit nehmen zu müssen, zur Ruhe kommen zu müssen, um gut in den Tag starten zu können, hat mich ziemlich gestresst. Zu dem Zeitpunkt hatte ich morgens wenig Ruhe. Ihr ahnt es - das Kind wollte trinken. Also beendete ich meinen Versuch erstmal frustriert.



Im Urlaub in 2019 startete ich dann einen neuen Versuch mit der Free Version von Calm

Dort entdeckte ich die geführte Meditationsreihe "7 Tage für einen guten Schlaf". Einen Versuch war es wert.

Ich löste mich von dem Gedanken, dass ich möglichst eine Stunde meditieren sollte und am besten zu Tagesbeginn und begann allabendlich vor dem Einschlafen mit der Meditation. 

Eine angenehme Stimme erklärt mir, wie ich am besten atme. Begleitet mich dabei herunterzufahren, meine Muskeln zu entspannen und meinen Geist zu beruhigen. 

Schon nach wenigen Abenden fiel ich nach der Meditation in einen tiefen, schweren Schlaf. Ein mir fast unbekanntes Gefühl. Heute benötige ich nur noch das Intro und schon schlafe ich ein.

Werde ich trotzdem nachts wach, hilft es mir wieder eine Meditationsübung durchzuführen, um schnell in den Schlaf zurückzufinden. Manchmal gelingt mir das schon ohne Hilfe, manchmal schalte ich mir am Handy eine Meditaion auf Calm an oder nutze eine der beruhigenden Schlafgeschichten.

Hast du z.B. schon einmal vor dem Schlafen versucht deine Gesichtsmuskeln zu entspannen? Deinen Kiefer zu lockern? Und weißt du, wie angenehm es ist tief durchzuatmen? Wie sehr es hilft Kraft und Energie durch deinen Körper zu transportieren?

Du schläfst gut, aber tagsüber geht dir die Energie verloren?

Auch das ist eine Situation, in der dir Meditation helfen kann (vorausgesetzt es liegen keine gesundheitlichen Probleme vor, die zu Kraftmangel oder Müdigkeit führen).

An manchen Tagen gelingt es mir auch mit Meditation in den Tag zu starten oder eine kleine Auszeit für eine Meditation zu nehmen. Ich gehe immer gestärkt daraus hervor. Fühle mich ruhiger und ausgeglichener an Tagen, an denen gefühlt die Hütte brennt.



Mittlerweile nutze ich die Abo Version von Calm, weil sie mir mehr zu bieten hat, als die Free Version. Täglich bietet Calm eine Meditation zu einem bestimmten Thema. Diejenigen, die mir besonders gut gefallen, kann ich unter Favoriten speichern. Gibt es Tage, an denen ein bestimmtes Thema präsent ist, kann ich nach einer entsprechend passenden Meditation suchen. In einem kleinen Achtsamkeitskalender kann ich meine aktuelle Stimmung eintragen.

Ich nutze Meditation nun täglich. Sie ist ein gute Begleitung. Eine Hilfe mir selbst zu helfen. Mich zu beruhigen, aber auch meinen Fokus zu bündeln. Eine Eigenschaft, die mir oftmals schwer fällt. Meditation bereichert meinen Alltag.

Hast du schon mal eine Meditation ausprobiert? Ist Meditation schon Bestandteil deines Tages? Wenn nicht, worin siehst du die Hürde, die dich daran hindert?



27.05.20

Ein Mädchen namens Willow | Sabine Bohlmann




Was soll Willow denn mit einem Wald anfangen? Den hat sie nämlich von ihrer Tante Alwina geerbt. Und nicht nur den - ihre Tante hat Willow auch noch ein kleines windschiefes Häuschen hinterlassen und vor allem: ihre Hexenkraft. Doch ob Willow dieses Erbe, mit allem was dazu gehört, wirklich annehmen möchte? Und dann soll sie auch noch drei Mädchen finden, die die Gabe des Hexens ebenfalls in sich tragen. Nur wo? Und vor allem, wie? Zum Glück ist Willow nicht allein, denn Rufus, der Fuchs, weicht nicht mehr von ihrer Seite.
(Text & Cover: © Thienemann; Foto: © N. Eppner)


Ich mag sie so gerne, diese Wohlfühlgeschichten für Kinder. Geschichten, in denen starke und bunte Figuren, die ihr Herz am rechten Fleck tragen für Freundschaft und ein gutes Miteinander stehen, aber auch mal negative Gedanken aussprechen dürfen und so viel Identifikationspotential für Kinder ihres Alters bieten.

Willow ist so eine Figur. Ein Mädchen, das in der Schule aneckt, weil es von der Norm abweicht. Deshalb ist es für Willow nach dem Umzug nicht so leicht in der neuen Klasse Freunde zu finden. Doch zum Glück hat sie ihr neues Haus und den kleinen Wald, geerbt von Tante Alwina, die auch immer ein wenig anders, aber sehr herzlich war. Dort hat sie einen Rückzugsort, an dem sie Kraft sammeln und sie selbst sein kann.

Während sie also nach der Schule durch den kleinen Wald streift, macht sie eine Entdeckung. Ein kleines Häuschen, in dem ein Hexenbuch liegt. Dieses scheint geheime Botschaften für Willow zu enthalten. Unter anderem die, drei weitere Hexen aufzutreiben. Mutig stellt sie sich der Aufgabe und findet nicht nur drei Mädchen, die ebenfalls über besondere Fähigkeiten verfügen, sondern auch neue Freundinnen.

Die sympathische Autorin Sabine Bohlmann hat mit "Ein Mädchen namens Willow" eine sehr herzige Geschichte geschrieben, die Mädchen Mut machen kann, für ihre Interessen einzustehen. Dass sie in gewisser Weise auch Natur- und Umweltschutz integriert, finde ich sehr gut und zeitgemäß. Willow durch den Wald zu begleiten, ihn durch ihre feinfühligen Augen zu betrachten, macht große Freude uns sensibilisiert für die Bedürfnisse und Schönheit der Natur.

"Ein Mädchen namens Willow" ist ein herziges Buch über die Kraft von Natur und Freundschaft. Gemeinsam mit ihren Freundinnen gelingt es Willow gegen Ungerechtigkeit einzugestehen und ich kann mir gut vorstellen, dass es nicht das letzte Abenteuer der vier kleinen Hexen war. Für mich als Erwachsene, hätte das Buch ein klein wenig spannender sein können, für Kinder ab 10 Jahren ist es aber eine tolle Geschichte, die ich gerne weiterempfehle.



Buchinfo:

256 Seiten
Hardcover 13,00 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

25.05.20

Im Schatten des Turms | René Anour





Hinter den Mauern des Narrenturms, der ersten psychiatrischen Heilanstalt der Welt ... Ein hervorragend recherchierter und extrem spannender Roman, der ein außergewöhnliches Stück Medizinhistorie vor der Kulisse weltgeschichtlicher Ereignisse erzählt.
Wien, 1787. Der Medizinstudent Alfred ist fasziniert vom sogenannten Narrenturm. Hier werden erstmals die Irrsinnigen behandelt, ein ganz neuer Zweig der Medizin. Doch die Zustände sind erbarmungswürdig. Und der Anblick einer jungen Frau mit seltsamen Malen auf den Armen lässt ihn nicht los.
Die junge Adlige Helene war noch nie am Wiener Hof. Ihr Vater hält Schönbrunn für eine Schlangengrube und will seine Tochter möglichst lange von dort fernhalten. Doch er kann sie nicht beschützen.
Der Student, der zu viel sieht. Und die Adlige, die frei sein will. Zwei Menschen, ein Schicksal – das sich im Schatten des Turms entscheiden wird …
Ein großes historisches Panorama: vom Narrenturm bis nach Schönbrunn, vom idyllischen Jagdschloss bis in die Türkenkriege.
(Text & Cover: © Rowohlt; Foto: © N. Eppner)


Vom Irrsinn befallen.
Besessen. 
In Teufels Händen.
Im 18. Jahrhundert gibt es viele Begriffe würde Menschen mit psychischen Abweichungen. Dass es sich dabei um Erkrankungen und nicht selbst verschuldete Rache eines bösen Wesens ist, begriff man erst sehr viel später. Dass es vielleicht die Möglichkeit geben könnte, diese Verfassung zu heilen, darüber denken Mediziner und Gelehrte schon nach. In Wien wird deshalb der Narrenturm errichtet. Schon der Begriff ist negativ behaftet. Der Umgang mit den Insassen noch viel mehr.

Historische Grausamkeiten werden mir immer erst dann bewusst, wenn ich damit konfrontiert werde. Bisher habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, mit welchen Vorurteilen und Leiden sich Menschen mit psychischen Erkrankungen oder Behinderungen in der Vergangenheit auseinandersetzen mussten. Mir ist in Etwa klar wie es im Nationalsozialismus ablief, dass es aber lange davor noch viel weniger Verständnis und Ängst gab, die Gewalt und Hass hervorriefen, davor habe ich bis dato scheinbar die Augen verschlossen.

René Anour greift diese Thematik in seinem Roman "Im Schatten des Turms" auf und verwebt sie in eine extrem spannende Geschichte, die einem Krimi in nichts nachsteht. Lügen, Intrigen, Mordaufträge und Gefahren, eingebettet in historische Fakten und Ereignisse. 

Im Fokus stehen zwei sympathische Hauptfiguren. Die junge Adelige Helene, die anders, als die jungen Frauen ihrer Zeit, mehr Interesse am Erlernen von Lesen, Schreiben, Geschichte und Mathematik, als an höfischem Gehabe und eleganten Tänzen, und Medizinstudent Alfred. Ein junger Mann, der zielstrebig auf seinen Abschluss als Mediziner hinarbeitet, obwohl er aufgrund mangelnder finanzieller Rücklagen mit vielen Widrigkeiten zu kämpfen hat. Neben der Schwierigkeit Studiengebühren, Miete und Lebensmittel zu zahlen, ist es auch das fehlende gesellschaftliche Ansehen, dass ihm Hindernisse beim Ausüben der Tätigkeit als Mediziner Steine in den Weg legt. Sein Wunsch sich für die Menschen im Narrenturm einzusetzen, lässt ihn feststellen, dass Leben und Überleben willkürlich ist und einzig vom gesellschaftlichen Stand beeinflusst wird.

Als er sich ausgerechnet in Helene verliebt, schafft er sich eine Gegnerin, die mächtiger und einflussreicher, aber auch intriganter und hinterhältiger ist, als er geahnt hat. Eine Jagd auf Leben und Tod beginnt. 

Innerhalb von zwei Tagen habe ich "Im Schatten des Turms" weggesuchtet. Gefesselt vom Spiel aus Machtgier und Kontrolle, auf wechselnde Wege geführt von überraschenden Handlungen. Neben einem hoch hinausragenden Spannungsbogen, sind es auch die tiefgründigen Themen, die mich begeistern konnten. Welchen Blick werfen wir auf Menschen, die anders sind, als wir selbst? Wir sehr werden Menschen in ihrem geistigen Wachstum begrenzt, in der Demokratie eingeschränkt? Welchen Einfluss hat die Herkunft? Welchen Rahmen bietet die Gesellschaft? Funktioniert sie beschneidend oder unterstützend? Ergänzt durch historische Fakten über Monarchen, Kriege und Medizin, ist "Im Schatten des Turms" ein absolut lesenswerter historischer Roman, den ich gerne weiterempfehle.


Buchinfo:

Rowohlt (2019)
656 Seiten
Taschenbuch 13,00 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

22.05.20

Hin und nicht weg | Lisa Keil



Rob Schürmann ist als Tierarzt Tag und Nacht im Einsatz, und die Herzen der Tierbesitzerinnen fliegen ihm zu. Er will nur eine, aber die heiratet einen anderen.
Anabel aus Berlin tritt den Aushilfsjob in der Praxis Schürmann mit gemischten Gefühlen an. Schließlich passt sie mit ihren Tattoos und ihrem selbstbewussten Auftreten nicht ins beschauliche Neuberg und schon gar nicht an die Seite des charmanten Tierarztes.
Zwischen Hufverbänden und Pfotenoperationen geraten die beiden immer wieder aneinander. Und kommen sich näher.
Doch plötzlich steht ein dramatischer Notfall zwischen ihnen und ändert alles.
(Text & Cover: © S. Fischerverlage; Foto:  © N. Eppner)


Nachdem ich so gerne "Bleib doch, wo ich bin" gelesen habe und darin Tierarzt Rob als Lieblingsfigur entdecken konnte, war für mich klar, dass ich seine Geschichte unbedingt lesen möchte. Ich habe sie geliebt!

Innerhalb weniger Leseeinheiten war "Hin und nicht weg" verschlungen. Ich mochte das Buch gar nicht zur Seite legen, weil die Zeit mit Rob und Anabel so schön war. Trotz kleiner Voraussehbarkeiten hat mich ihre Geschichte so gefesselt und begeistert.

Anabel flieht aus Berlin, als sie vor einem Streit mit ihren Bewohnern steht. Weglaufen, wenn es kompliziert wird, ist so ihr Ding und bisher hat es noch gut funktioniert. Dass es sie ausgerechnet in die Pampa verschlägt, damit hat sie nicht gerechnet. Die Möglichkeit dort Geld bei Tierarzt Robert Schürmann zu verdienen, kommt ihr ganz gelegen. Sie hat einige Schulden bei ihrem Vater, dem Menschen, von dem sie eigentlich nicht mehr abhängig sein möchte. 

Rob kämpft mit seinen Gefühlen für Kaya. Seine Traumfrau hat ihren Traummann geheiratet und Rob vergräbt sich wie immer in Arbeit. Die hilft ihm auch bei den anderen Problemen, die ihn gerade belasten. Für die Tierarztpraxis sieht es finanziell gar nicht gut aus und mit seiner Mutter hat er auch Ärger. Ob er in dieser Situation ausgerechnet so einen verrückten Wirbelwind wie Anabel gebrauchen kann?

Natürlich mischt auch in diesem Teil die eigensinnige Kaya ordentlich mit, aber der Fokus liegt auf Rob, dem sympathischen Tierarzt, dem sicher nicht nur mein Herz zufliegt. Neben den üblichen Schwierigkeiten mit Patienten, muss er sich mit seinem eigenen Privatleben auseinandersetzen. Mit seiner unerfüllten Liebe, aber auch mit seiner Vergangenheit, mit dem Erbe seines Vaters, das er so selbstverständlich übernommen hat. 

Es ist etwas schade, dass ich bis Sommer 2021 warten muss, bis ich wieder Zeit mit Kaya, Lars, Rob und Anabel verbringen kann. Dann erscheint ein weiterer Roman aus deren Leben. Besuchen würde ich die sympathischen Charaktere aber gerne jede Woche.



Buchinfo:

432 Seiten
Taschenbuch 9,99 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

19.05.20

Die Frost Chroniken 01: Krieg und Kröten | Susanne Pavlovic





Yuriko Mandorak Doragon Frost, Siegelmeister, Feuerbeschwörer, Freund der Kröten und Bezwinger der Schicksalsschlange, war nur mal kurz Tabak holen. Als er nach fünf Jahren in seine Heimatstadt zurückkommt, hat man ihn vergessen.
Dann taucht Arkadis auf und trägt ein Zaubersiegel auf der Zunge, dessen Rätsel Yuriko nicht ergründen kann. Yuriko wird von seiner Schülerin Galina entführt – gleich mehrfach. Die neuerliche Reise soll die Lösung des Siegelrätsels erbringen und Yuriko möglichst nicht das Leben kosten. Kein einfaches Unterfangen angesichts von feindlichen Zauberinnen, wüster Wildnis und seiner wütenden zukünftigen Exfrau.
Die Welt braucht einen Helden. Doch Yuriko will einfach nur zurück nach Hause.
(Text & Cover: ©Amrûn Verlag; Foto: © N. Eppner)

Yuriko Mandorak Frost ist der Held dieser Geschichte. Zumindest versucht er einer zu sein. Naja eigentlich möchte er gar keiner sein, sondern nur mit seiner langjährigen Liebe Flori zusammen sein und diese Liebe möglichst häufig ausleben. Ein unzuverlässiger Schürzenjäger ist er, aber ganz gewiss kein Held. Sein Lehrmädchen Galina hat er im Stich gelassen, aus Versehen eine Frau geheiratet, deren Namen er nicht mal kennt, und arbeits- und mittellos ist er auch. Doch dann findet er diese Person unter seiner Treppe und ohne dass er es möchte, breitet sich der Drang in ihm aus Arkadis helfen zu wollen.

Er begibt sich auf ein Abenteuer, das gespickt ist von Begegnungen, die nicht selten mit Verletzungen enden. Immer an seiner Seite, sein Seelentier Padda, eine Kröter. Und Galina, die sich möglicherweise ein bisschen in die rätselhafte Persönlichkeit Arkadis verliebt hat. Arkadis, der möglicherweise eine Frau oder auch ein Mann ist und ein geheimnisvolles Siegel auf der Zunge trägt, das sie alle in große Gefahr bringt. Welches Geheimnis verbirgt das Siegel und wie können Yuri und Galina Arkadis helfen?

Die Charaktere des Romans sind mit vielen Ecken und Kanten ausgestattet. Yuri wirft mit Sprüchen um sich, die zeigen, dass er kein edles Bild von Frauen hat und eigentlich nur das eine von ihnen möchte. Möglichst von allen. Eine Eigenschaft, die ich im realen Leben nicht mag, die man Yuri aber ganz gut verzeihen kann, weil er einen gewissen Charme besitzt und unter dieser Schale des Schwerenöters irgendwie doch ein netter Kerl ist. Wer ihn zu Anfang der Geschichte nicht so mochte, wird ihn spätestens am Ende doch mögen.

Galina ist eine richtig, coole, mutige Frau. Ziemlich straight und nicht zimperlich. Für mich ist sie die eigentliche Heldin der Geschichte. Ich mag wie sie Yuri Kontra gibt, was die Dialoge zwischen den beiden ziemlich feurig werden lässt.

Die Schreibe der Autorin ist locker und flüssig. Immer wieder kommt ihr guter Humor zum Vorschein, so dass ich häufig schmunzeln musste. Witzig sein, ohne albern zu werden. Das mag ich und das passt einfach auch sehr gut zum Gesamtkonzept aus Charakteren, Handlung und Setting. Durch wenige Beschreibungen der Umgebung oder Aussehen der Figuren, wird die eigene Fantasie angeregt. Allerdings muss ich sagen, dass die Bilder der Charaktere in meinem Kopf nicht Deckungsgleich sind mit den Illustrationen der Figuren, die es auf Instagram zu bewundern gibt. In meiner Fantasie zeichnen sie sich vor allem durch ihre Charaktereigenschaften aus.

Der erste Band der Frost Chroniken ist ein spannendes und humorvolles Abenteuer, in dem eigensinnige Individualisten für Gerechtigkeit sorgen. Ein klassisches Heldenabenteuer in überhaupt nicht klassischer, sondern sehr geistreicher und fantasievoller Umsetzung.




Buchinfo:

ca. 600 Seiten
Paperback
16,90 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

16.05.20

Das Mädchen aus der Severinstraße | Annette Wieners




Als Sabine Schubert nach dem Tod des Großvaters ihrer Großmutter Maria hilft, das Haus aufzuräumen, kommen unter dem großen, schweren Teppich im Wohnzimmer alte Geldscheine zum Vorschein. Im Keller finden die Frauen Gold und begreifen, dass der Großvater vor langer Zeit ein Vermögen versteckt haben muss. Nur warum? Maria beschleicht eine Ahnung und sie gerät völlig außer sich. Sabine wird klar, dass in der Familiengeschichte erschreckende Lücken aufklaffen. Hat der Großvater in der angesehenen Kölner Metallgussfirma wirklich nur Spielzeug hergestellt? Auch die Großmutter scheint aus ihrer Zeit als berühmtes Fotomodell Einiges zu verschweigen. Damals, Ende der 1930er-Jahre, hieß sie Mary Mer und lernte den jüdischen Fotografen Noah kennen, den sie bis zum heutigen Tag nicht vergessen hat ...
(Text & Cover: © Blanvalet; Foto: © N. Eppner)

Es sind Geschichten wie "Das Mädchen aus der Severinstraße", die gegen das Vergessen helfen. Die von der Brutalität und Unmenschlichkeit des Nationalsozialismus erzählen und wie nachhaltig er die Leben einzelner Menschen beeinflusst. Obwohl ich schon einige wahre und fiktive Geschichten aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs gelesen habe, bin ich immer wieder von neuem erschüttert. Entsetzt und traurig. Annette Wieners hat mir mit ihrem Roman, der angelehnt ist an die Vergangenheit ihrer eigenen Großmutter, aber nicht biografisch erzählt, die Tränen in die Augen getrieben. Mehr als einmal.

Erzählt wird auf zwei Ebenen. Aus der Sicht von Sabine Schubert und ihrer Großmutter Maria Schubert, einst bekannt als das Fotomodell Mary Mer, einer jungen Frau, die den deutschen Typ Frau so deutlich verkörperte, dass Hitlers Gefolgsleute auf sie aufmerksam wurden. Maria, rein arischen Blutes seit 1772, verliebt in einen jüdischen Fotografen, verehrt von den deutschen rechtsgerichteten Soldaten, die menschenverachtend handeln, sich arrogant über andere stellen, töten. Maria, die hilfsbereit ist und über einen Gerechtigkeitssinn verfügt und weder ihr Gesicht noch ihren Namen für etwas hergeben möchte, in dessen Sinne Menschen hingerichtet werden. Maria, die sich mit gefährlichen Menschen anlegt.

Die Erlebnisse des Krieges hallen noch über Generationen nach. Verluste, Ängste, Leere und Schuld haften an denen, die den Krieg mit seinen Schrecken erlebten, werden an Kinder weitergegeben, manchmal an Enkel. Menschen sind nicht mehr in der Lage gesunde Beziehungen zu führen, bleiben misstrauisch, verweilen in der Vergangenheit mit ihren Ängsten oder Hoffnungen. Diese Problematiken der Nachkriegsgenerationen werden von Annette Wieners sehr gut dargestellt. Sie nutzt eine zweite Erzählebene, die etwa in der Gegenwart spielt und die Sabine Schubert, die Enkelin von Maria in den Vordergrund stellt. Sabine hat mit dem Verlust der Mutter zu kämpfen und wiederholt ein Erlebnis der Großmutter, ohne überhaupt eine Ahnung davon zu haben, dass sie beide eine ähnliche Situation durchlaufen bzw. erlebt haben. 

Ich habe ganz winzig kleine Probleme mit der Sprache, die teilweise ein wenig simpel wirkt, prinzipiell aber gut zur Naivität der Situation passt, die teilweise zur NS-Zeit herrschte und die manche Menschen tatsächlich glauben ließ, das irgendwie alles gar nicht so schlimm sei. Außerdem gibt es einen Erzählstrang, der mit inhaltlich etwas aufstößt, einfach, weil ich da vom Fach bin und die Arbeitsweise der dargestellten Personen, als fragwürdig erachte.

Das alles sind Randkritiken, die eine untergeordnete Rolle spielen, denn im Vordergrund steht, was Wieners mit ihrem Roman gelingt: aufrütteln. Schockieren. Aufklären. Sensibilisieren.

Für mich ist Köln eine der schönsten Städte Deutschlands. Ich mag es, weil es bunt und trubelig ist. Tolerant und fröhlich. Dass Köln einst eins der Nazizentren war, in denen der Nationalsozialismus schnell und mehr als deutlich übergreifen konnte, war mir nicht bewusst. Es ist von roher Gewalt und hoher Brutalität die Rede. Von wenig Hilfsbereitschaft. Man kann es den Menschen, die heute dort leben, nicht vorwerfen, aber es darf nun mal nicht in Vergessenheit geraten.

Annette Wieners hat einen extrem spannenden Roman geschrieben, der mich sehr berührte. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, obwohl ich so viele Tränen vergossen habe. Für die Menschen, die damals gestorben sind, und für alle, die nicht die Eltern bekommen konnten, die sie verdient hätten, weil ein verrückter Mensch, eine wahnsinnige Ideologie deren Psyche und Menschlichkeit zerstörte. Lest dieses Buch, redet darüber, teilt es und gebt weiter, was ihr wisst, damit wir nie wieder in solch eine Situation geraten.

Buchinfo:

Blanvalet (2019)
480 Seiten
Hardcover 20,00 €



Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner


13.05.20

Bleib doch, wo ich bin | Lisa Keil




Kaya hat alles, was sie zu ihrem Glück braucht: eine kleine Buchhandlung in ihrem Heimatort, beste Freunde und ihr heiß geliebtes Shetlandpony. Für einen Mann, der länger bleibt als eine Nacht, ist eigentlich kein Platz in ihrem Leben.
Lasse ist überzeugter Großstädter und nur aufs Land gezogen, weil er als Lehrer die erstbeste Vertretungsstelle annehmen musste. Als Kaya ihn auf einer Scheunenparty trifft, ahnt sie nicht, dass der gutaussehende Typ der Klassenlehrer ihrer Nichte ist. Eine Begegnung mit aufregenden Folgen …
(Text & Cover: © Fischerverlage; Foto: © N. Eppner)


Ein Roman, der auf dem Land spielt, in dem ein Shetlandpony eine wichtige Rolle spielt und die Protagonistin eine große Chaotin ist...muss ich lesen! So meine Ambition vor dem Aufschlagen der ersten Seite von "Bleib doch, wo ich bin". 

Nach dem Zuschlagen des Buches bleibt Begeisterung. Hier und da kleine Kritikpunkte, aber vor allem der Wunsch zurückzukehren nach Neuberg. Warum? Das erkläre ich gern.

Kaya ist eine ausgesprochen sympathische Protagonistin. Chaotisch, aber liebenswert. Verrückt nach Tieren und die beste Tante der Welt. Um letzterem Job gerecht zu werden, übernimmt sie das Gespräch mit dem Lehrer ihrer Nichte und gibt sich als deren Mutter aus. Ein Unterfangen, das unabsehbare Folgen hat.

Ich möchte inhaltlich nicht zu viel vorwegnehmen, denn ich möchte, dass alle Leserinnen und Leser den Effekt "Das macht sie jetzt nicht wirklich?" "Oh nein, was für ein Schlamassel" selbst erfahren.
Es sei so viel gesagt: Kaya springt von einem Fettnäpfchen ins Nächste. Ihre Art muss man einfach mögen und hat mich mehr als einmal zum Schmunzeln gebracht.

Als Dorfkind fühle ich mich natürlich sofort mit den Figuren verbunden. Zeitweise in meine eigene Zeit als Mitt-/ Endzwanzigerin zurück versetzt mit ein bisschen Fernweh nach der Heimat. Lisa Keil erzählt eine Geschichte, die mitten aus dem Leben gegriffen und so locker und authentisch erzählt ist, mit so viel Liebe zu den Figuren, zum Setting, zum Handeln, dass "Bleib doch, wo ich bin" schon alleine dadurch zu einem wahren Lesevergnügen wird. 

Hier und da gibt es eine absehbare Handlung, aber nichts desto trotz habe ich meine Zeit sehr gerne zwischen den Seiten verbracht und möchte jeder und jedem, die /der ein gutes Sonntagsbuch, eine Geschichte von Zuhause, sympathische Figuren, ein bisschen Ponywiehern und Liebe ohne Kitsch mag, "Bleib doch, wo ich bin" empfehlen.




Buchinfo:

352 Seiten
Taschenbuch 9,99 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

11.05.20

Köstlich backen mit Äpfeln | Andrea Natschke-Hofmann





Wir lieben Äpfel! Egal ob als klassische Apfeltarte, im Ofenschlupfer oder Tiramisu, als Apfel-Karamell-Cheesecake, Apfel-Zimt-Zupfbrot, Apfel-Puffer oder Bratapfelkuchen – hier ist für jeden Geschmack etwas dabei. Je nach Sorte mal säuerlich und mal süß im Aroma, ist keine andere Frucht so vielseitig verwendbar wie der Apfel, und die Ernte kann gar nicht reich genug ausfallen, damit wir all die Köstlichkeiten in diesem Buch ausprobieren können.
(Text & Cover: © Thorbecke; Foto: © N. Eppner)


Ich liebe backen und ich liebe Äpfel. Deshalb war die Freude über die Nachricht, dass ich das Buch "Köstlich backen mit Äpfeln" von Andrea Natschke-Hofmann gewonnen habe, schon ziemlich groß. Noch größer nach dem ersten Blick zwischen die Seiten. So viele leckere Rezepte!

Nach einer kleinen Einführung mit Tipps aus der Küche der Autorin und einen Überblick über deren liebste Apfelsorten, geht es mit Rezepten in unterschiedlichen Rubriken weiter. 

Aus Omas Rezeptsammlung
Kleine Köstlichkeiten auf die Hand
Seelenwärmer
Lieblinge von meinem Kaffeetisch
Leckereien aus dem Glas

Rezepte für verschiedene Gelegenheiten, mal schneller, mal aufwendiger zubereitet, mal Klassiker die man aus der Kindheit kennt, zu denen es keine Rezepte gibt, weil Mama und Oma sie pi mal Daumen zubereiten, aber auch angesagte Leckereien wie Apfel-Birnen-Chutney.


Ich habe bereits zwei der Rezepte ausprobiert. Beide landen in meiner persönlichen Lieblingsrezepterubrik. 

Als Bibi und Tina Fans mussten wir natürlich unbedingt den Apfel-Butterkuchen ausprobieren (Für Nichtwissende: Tinas Mutter, Frau Martin, backt zu jeder Gelegenheit ihren weltberühmten Butterkuchen). Da ich während des Backens mit meiner Großtante telefonierte und abgelenkt war, gab ich zunächst zuviel Butter zum Teig, habe aber daraus einfach die doppelte Menge gemacht und dann eine Hälfte eingefroren (klappt super mit Hefeteig). Glücklicherweise, denn so konnten wir uns den sehr leckeren Kuchen an einem anderen Tag nochmal gönnen. Der Teig ist schnell und einfach zuzubereiten. Was immer etwas aufhält ist das Äpfel schneiden - aber das ist bei Apfelkuchen nun mal so. Es gibt im Buch aber auch Rezepte mit Apfelkompott für die Eiligen Bäcker*Innen.

Super lecker ist auch das Rezept für die Bratäpfel. Ich koche und backe gerne für Freund*Innen und ein Bratapfel ist ein gern gesehener Gast bei jedem herbstlichen bzw. Vorweihnachtlichem Beisammensein. 

Die Gestaltung des Buches ist liebevoll und ansprechend. Die Fotos sind von Natschke-Hofmann selbst geschossen, die seit Jahren Erfahrung in der Foodfotografie sammelt. Autorin Andrea Natschke-Hofmann lebt getreu dem Motto "Essen muss Spaß machen" und schreibt darüber auch auf ihrem Blog Zimtkeks und Apfeltarte




Buchinfo:

Thorbecke (2019)
144 Seiten
Hardcover 25,00 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner


10.05.20

[Waldrauschen] Odyssee mit meinem Pferd Dark Pepper



Dark Pepper - mein Freund und Begleiter seit 17 Jahren, seit einigen Jahren auch der meiner Kinder. 

Als ich 2015 mit der Räubertochter schwanger war, sagte ich zu meinem Vater "jetzt verpasse ich Peppers beste Jahre und dann wird er alt sein." In den letzten vier Jahren musste er ordentlich zurückstecken.

Im letzten Jahr traf ich die Entscheidung, dass Pferde unbedingt wieder mehr Raum in meinem Leben einnehmen müssen. Pferdeliebe steckt in meinen Genen, fließt durch meine Adern. Ich hatte mich eine Zeit lang eingeschränkt (und das aus zwei sehr guten Gründen), aber es brauchte einen Kompromiss aus Mutter und Pferdemädchen, um glücklich zu sein. 

Zum Jahreswechsel dann der Stallwechsel. 

Am nächsten Tag konnte Pepper nicht mehr richtig laufen, nahm ab, wurde von der Herde ausgegrenzt. Keine richtige Diagnose, bis ein Hufgeschwür endlich seinen eigenen Weg ging. Danach kam eine Osteopathin und behob kleinere und größere Wehwehchen. Mehrere Wochen waren ins Land gezogen, in denen ihm nur mittelmäßig geholfen werden konnte. Doch dann sollte es endlich wieder bergauf gehen. 




Vor vier Wochen bildete sich plötzlich eine große Schwellung an Bauch und Schlauch. Ich rief den Tierarzt. Der kam, behandelte dies, behandelte das. Mein armes Pferd nahm weiter ab, musste einige Spritzen ertragen, wurde immer müder, konnte plötzlich wieder nicht mehr richtig laufen. Zum zweiten Mal in diesem Jahr kam mir in den Sinn, dass er nun wirklich alt ist und eine Erkrankung nicht mehr einfach so wegsteckt. Ein Gedanke, den ich kaum ertragen konnte.

Dann rief ich wieder die Osteopathin an. Die kam, behandelte. Ein erster Lichtblick: er fühlte sich besser, war wieder muntere, konnte wieder laufen. Zwei Tage später öffnete sich die Schwellung. Was vom Tierarzt als Lymphstau fehldiagnostiziert wurde, war ein riesiger Abszess. Eine extrem schmerzhafte Sache.

Jetzt kann ich zuschauen, wie es ihm von Tag zu Tag besser geht. Mein Herz springt vor Freude. Gestern waren wir zum ersten Mal seit Wochen wieder ausreiten und sind im Abendlicht über einen Wiesenweg galoppiert. Ein großes Glück.

Zwei Dinge, die meine Osteopathin sagte, die mich sehr berührt haben:

"Pepper und du (also ich) habt ein Verhältnis, das auf sehr viel Vertrauen basiert, und er ist ein Kämpfer, hat viel Kraft und ist längst noch kein altes Pferd."

Ich hoffe, das bleibt noch lange so ❤







08.05.20

Könige der Finsternis | Nicholas Eames




Einst war Clay Cooper Mitglied der gefürchtetsten Söldnertruppe im ganzen Land. Kein Ungeheuer, das nicht von ihnen besiegt wurde. Keine Jungfrau in Nöten, die nicht von ihnen gerettet wurde. Inzwischen liegen die Heldentage lange hinter Clay – er hat eine Familie, arbeitet bei der Stadtwache. Dann steht eines Tages sein Freund Gabriel vor der Tür und bittet Clay um Hilfe bei einer Mission, der sich nur die tapfersten Krieger anschließen würden – oder die dümmsten: Gabriel will die alten Gefährten zusammentrommeln und in ein neues Abenteuer ziehen. Doch ein Held zu sein, ist heutzutage gar nicht mehr so einfach wie früher ...
(Text & Cover: ©Heyne; Foto: ©N. Eppner)


"Könige der Finsternis" lesen hat so richtig viel Spaß gemacht. 

Clay Cooper und seine Truppe sind legendär. Helden, harte Männer, Legenden. Zumindest waren sie das mal. Heute sind sie eine Rentnertruppe, aus Männern, denen das Leben einst viel versprochen und nicht annähernd die Hälfte davon gehalten hat. Sie alle mussten die Erfahrung machen, dass der Kampf mit Monstern, Magiern und wilden Kreaturen einfacher ist, als ein gepflegtes Sozialleben zu führen. 

Clay hat es ganz gut hinbekommen. Er lebt mit Frau und Tochter in einem kleinen Häuschen, hat ein geregeltes Einkommen, das nur ab und an ein bisschen gefährlich ist, und hat eigentlich alles im Griff. Bis sein alter Freund Gabriel vor der Tür steht, bei dem einfach nichts läuft. Oder doch? Denn schließlich hat er seine Tochter zu einer mutigen und emanzipierten jungen Frau herangezogen. Die allerdings gerade in der größten Belagerung der letzten Jahre eingeschlossen ist und mit einer eher kleinen Truppe gegen tausende von Soldaten kämpft. Gabriel sieht sich in der Pflicht ihr zu helfen. Außerdem kommt sein alter Drang keiner Prügelei aus dem Weg zu gehen, hervor, doch er weiß, dass er nur dann den Hauch einer Chance hat, wenn er seine alte Truppe auf den Plan holt.

Das Unterfangen der Helden dieser Geschichte klingt ausweglos und ja, an der ein oder andere Stelle ist die Handlung etwas überzogen, aber das macht gar nichts, denn bei Heldengeschichten darf ein bisschen was dazu gedichtet werden, das mit der Realität nichts gemein hat. 

Nicholas Eames schöpft aus den Vollen seiner  Vorstellungskraft und kreiert jede Menge phantastischer Biester, Männer und Frauen mit magischen Fähigkeiten und sogar Pflanzen, die zur Gefahr werden können. Seine Figuren sind eine gute Mischung aus farbenfroher Diversität und typischen Helden, die trotzdem so viel Charakter und Dickköpfigkeit haben, dass sie eigen und selbstbestimmt wirken. Die alternden Helden sind starrsinnig und kantig und genau das ist es, was ich an ihnen mag. Mit Bloody Rose hat Eames eine weitere Figur erschaffen, die stark und richtig cool ist. Kein Wunder, dass sie ein eigenes Buch bekommen hat ("Die schwarze Schar").

Die Handlung ist gefüllt mit Action - es werden ziemlich häufig Schwerte / Äxte / Messer gezogen -, aber auch jeder Menge Humor. Ich bin selbst ein wenig erstaunt wie sehr ich den Witz des Autors, der manchmal sogar ein bisschen albern ist, mag. Ganz besonders genial sind die Dialoge!! Darin spürt man, dass Clay und die Truppe schon einiges miteinander durchgemacht haben, was sie aber nicht davon abhält jede Menge Seitenhiebe zu verteilen. Ein Umgang, der nur unter Freunden möglich ist, auch wenn die harten Männer sich natürlich nicht als solche bezeichnen würden. 

Auf der Instagramseite des Autors gibt es richtig coole Zeichnungen zu den Charakteren, die man sich unbedingt anschauen sollte.



Buchinfo:

Heyne (2019)
640 Seiten
Paperback 16,99 €
ÜBERSETZUNG: Michael Siefener

Reiheninfo:

1. Könige der Finsternis
2. Die schwarze Schar 


Rezensionen: ©2020, Nanni Eppner


06.05.20

[Räuberkinder] Heute bin ich anders | Katja Reider & Günther Jakobs




Anders sein, sich von der breiten Masse abheben, nicht zu den Normalos zu gehören. Ich weiß noch wie sehr ich dieses Ziel während meiner Pubertät anstrebte. 

Für manche ist anders sein eher negativ behaftet. Kann es manchmal zur Qual werden anders auszusehen, andere Interessen zu vertreten oder andere Kleidung zu tragen.

Versucht jemand, mir eine Meinung aufzudrängen, mich dazu zu bewegen dessen Meinung anzunehmen, dann schwimme ich erstmal gegen den Strom und versuche mir ein eigenes Bild zu verschaffen. Manchmal entdecke ich dass die Meinung für mich passt, aber manchmal möchte ich anders denken.

Anders zu sein, anders zu denken, bringt etwas in Gang. Auch wenn es in unserer Gesellschaft manchmal schwierig ist, anders zu denken, ist es sehr wichtig, um bestehende Strukturen ins Rollen zu bringen. Um neue Erkenntnisse zu gewinnen, neue Ideen umzusetzen. Was wäre die Welt, wenn Einstein oder Newton nicht anders gedacht hätten, als ihre Mitmenschen?




Katja Reider, Autorin der beliebten Figuren "Rosalie und Trüffel" macht anders sein greifbar. Wie ist es anders zu sein, was macht das mit mir, warum ist es nicht schlimm anders zu sein, warum ist es manchmal sogar sehr wichtig anders zu sein. 

Sie ermutigt dazu anders zu sein und anders sein zu akzeptieren. Zeigt das anders sein, manchmal gar nicht so anders ist, wie wir denken. Und das anders sein kein Grund ist andere auszuschließen. Sie schreibt für Tolerant und den Mut Individualität auszuleben. Ein wichtiger Prozess in der Entwicklung des Kindes. Individualität und damit verbundene Autonomie ist das, was wir uns für unser Erwachsenenleben wünschen, dessen Grundstein aber, wie so viele, in der Kindheit gelegt wird.

Katja Reider hat dieses Thema auf wunderbar warmherzige und witzige Art aufgegriffen und in Reimform niedergeschrieben. Damit schafft sie einen guten Zugang zu den Kindern und ich gestehe, dass ich in Reimform geschriebene Texte auch einfach immer gerne vorlese.

Illustrator des Pappbilderbuchs ist Günther Jakobs ein vielfach vertretener Künstler in unserem Kinderbuchregal und Garant für peppige und kinderfreundliche Illustrationen.




Buchinfo:

FISCHER Sauerländer (2020)
20 Seiten
Pappebuch
ab 2 Jahren


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner

02.05.20

Bella Stella. Eine deutsch-italienische Familiensaga | Brigitte Pasini




Holstein, 1922: Stella liebt das Leben auf Gut Friederkamp, wo ihr Vater als Verwalter arbeitet. Und sie liebt Carsten, den Sohn des Gutsbesitzers. Doch Carsten heiratet eine standesgemäße Frau. Und Stella wird nach dem Tod des Vaters einfach vom Hof gejagt. Mit gebrochenem Herzen und völlig mittellos strandet sie im Hafen von Hamburg.
Romagna, Italien: Lorenzo verdingt sich als Landarbeiter. Seine große Liebe gilt Giuseppina, der Tochter eines ehrgeizigen Kaufmanns. Als die Faschisten die Macht übernehmen, muss Lorenzo fliehen. Nach einer Odyssee durch etliche Länder landet er schließlich bei seinem Onkel in Hamburg.
Im sündigen St. Pauli erfahren Stella und Lorenzo große Armut, aber auch Mitgefühl und Hilfsbereitschaft. Doch werden sie auch ihre Herzen heilen können?
Eine packende deutsch-italienische Liebesgeschichte im Hamburg der 1920er Jahre - voller Zeitkolorit, dramatischer Wendungen und großer Gefühle.
(Text & Cover: ©Rowohlt; Foto: ©N. Eppner)


Ich liebe es ja sehr in der Zeit zu reisen. Vor allem, weil ich auch wieder zurückkehren darf, denn in der Vergangenheit war es als Frau noch viel schwieriger durchs Leben zu kommen, als es heute ist. 1922, in dem Jahr, in dem der Roman "Bella Stella" spielt, ist es zum Beispiel noch sehr viel schwieriger als Alleinerziehende durchs Leben zu kommen, als uneheliches Kind anerkannt zu werden oder als junge Unternehmerin Anerkennung und Respekt zu bekommen. Ja überhaupt die Erlaubnis zu erwerben, sich als Gewerbetreibende beruflich zu verwirklichen, ist ein Weg aus Hindernissen und Hürden. Außer, es handelt sich um das horizontale Gewerbe, dass man Frauen ja sehr gerne als berufliche Möglichkeit anbot, sobald sie nicht nach der Meinung bestimmter Männer handelten.

So ergeht es auch den Frauen des Romans "Bella Stella". Dort ist Stella, das schwächliche Mädchen, das mit dem Vater auf einem Gut lebt, auf dem dieser als Stallbursche arbeitet. Stella bleibt es verwehrt die große Liebe Carsten zu heiraten. Sie ist nicht standesgemäß und Geld hat sie auch keins. Auf Umwegen gerät sie nach Hamburg, in ein Mietshaus, in dem es von starken Frauen nur so wimmelt. Eine wie die andere ist resolut und energisch in der Erfüllung der eigenen Wünsche und Ziele. Ganz anders, als Stella es bisher aus ihrem Umfeld gewohnt ist.

Zeitgleich kommt es auch in Italien zu einer dramatischen Liebesgeschichte, in der Lorenzo, der aus dem Schatten der Eltern heraustreten möchte, zwischen die Fronten der Faschisten gerät. Auch ihn treibt es nach Hamburg und wie der Zufall es will, treibt es ihn in die Nähe von Stella. Doch seine Vergangenheit ist ein ewiger Begleiter und Hindernis auf dem Weg in die Zukunft.

Ich muss gestehen, dass ich mich vom Titel etwas in die Irre habe führen lassen und ich glaube, das ist der Grund, warum der Verlag noch den Aufkleber "Schauplatz Hamburg" hinzugefügt hat. Ich habe einen historischen Roman mit italienischem Flair erwartet. Die Handlung verweilt aber nur für kurze Zeit in Italien und ist größtenteils in Hamburg angesiedelt. Atmosphäre schafft die Autorin aber trotzdem. Mühelos tauche ich in die 20er Jahre mit allen Vorzügen und Widrigkeiten ein. Trotz manchmal etwas lockerer Erzählstränge, war der Roman es wert über 500 Seiten lang in der Geschichte zu verweilen. Die ein oder andere Handlung war für mich voraussehbar, hat der Erzählung als solches aber nicht geschadet.

Am meisten haben mich die Frauenfiguren begeistert. Eine wie die andere ist bunt, auffällig, stur und einnehmend. Sie ecken an, sind darauf aus durch Reibung zu Veränderung zu gelangen und lassen sich nicht davon abschrecken, dass man ihnen Steine in den Weg legt. Ich habe jede einzelne von ihnen sofort gemocht. Solche Frauen braucht die Welt. Damals, wie heute.


Bücherinfo:

Rowohlt (2019)
528 Seiten
Taschenbuch 10,99 €

Hier gehts zum kostenlosen eBook "Die Tochter des Gutsverwalters", der Vorgeschichte von "Bella Stella".


Rezensionen: ©2020, Nanni Eppner