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19.06.20

Sommergäste | Agnes Krup




Es ist der Sommer des Jahres 1925. Die Schriftstellerin Charlotte Overbeck und ihre Freundin Ellen reisen nach Rockcliff Isle, eine malerische Insel vor der kanadischen Atlantikküste. Charlotte will an ihrem neuen Roman arbeiten, Ellen ihr gemeinsames Sommerhaus einrichten. Bei der Ankunft mit dem Postschiff treffen sie im Hafen auf Crawford Maker, einen Einheimischen in Fischerkleidung, der einen toten Vogel mit mächtigen Schwingen unter dem Arm trägt. Ellen besucht ihn in seiner Werkstatt, wo er den Vogel präpariert. Sie fühlt sich erinnert an ihre kurze Karriere als Künstlerin, die sie für Charlotte aufgegeben hat, um ihre Begleiterin zu werden. Crawford erkennt ihr Talent und lädt sie ein, mit ihm auf eine Expedition in den Kongo zu gehen…
(Text & Cover: © Piper; Foto: © N. Eppner)

"Sommergäste" ist ein fein erzählter Roman über die Liebe, eingebettet in die Atmosphäre der 20er Jahre, in denen so vieles möglich scheint und dann so abrupt beendet wird.

Getragen wird die Geschichte von Charlotte und Ellen, zwei kultivierten Frauen, die in Liebe und Freundschaft miteinander verbunden sind. Seit etlichen Jahren ist Ellen, einst begabte Bildhauerin, die starke Frau hinter Autorin Charlotte. Ellen sorgt dafür, dass diese sich einzig auf ihr Schreiben konzentrieren kann. Mit Erfolg. Charlotte ist Preisgekrönt und so gefragt, dass die beiden Frauen einen Rückzugspunkt benötigen, an dem sie neue Energie tanken können.

Im malerischen Rockcliffe Isle treffen sie auf Crawford Maker, dem ein bisschen etwas vom einsamen Wolf anhaftet, der aber gleichzeitig Anlaufstelle seiner Insel ist. Er setzt sich ein für den Erhalt seltener Vogelarten, versucht Flora und Fauna zu schützen, indem er Vögel präpariert und damit einen Zugang schafft für jene, die sich nicht herauswagen in die raue Natur, für diejenigen, deren Bezug zur Natur lediglich auf eloquente Gespräche unter gesellschaftlich angesehen Mitmenschen besteht.

Es ist ein Albatros, der Crawford und Ellen zueinander führt und aus Ellen das herausholt, was längst unter dem Alltag an Charlottes Seite begraben liegt. Ihr Talent Lebewesen zu erfassen und voller Dynamik und Lebendigkeit darzustellen. Crawford bringt das Gleichgewicht zwischen Ellen und Charlotte ins Wanken und gleichzeitig ist er derjenige, der Ellen selbst in eine Balance zurückholt, die sie über die Jahre verloren hat. 

Krup schafft Figuren, die ganz ohne dramatische Handlung und rasant steigenden Spannungsbogen auskommen. In denen die Tiefe aus Lebenserfahrung, Enttäuschung und Hoffnung steckt. Charaktere, die Verluste verschiedenster Ausmaße zu betrauern und diese unter allen Schichten aus positiver Außenwirkung, Erfolg und Energie vergraben haben. Es ist vor allem die Liebe, die aus den Figuren die Menschen werden lässt, die sie sind. Es ist die Liebe, die sie antreibt und die in ihnen Eifersucht und Toleranz gleichermaßen wachsen lässt. 

Krup muss nichts aussprechen. Ihre feine, ruhige Schreibe lässt Raum für eigene Gedanken. Ohne das Wort direkt auf ein bestimmtes Thema zu richten, klingt dies durch und wird für mich greifbar. Ich spüre die Lücke, die in Charlottes Leben thront, die Zerrissenheit, die Ellen immer wieder überflutet, Crawfords zarte Annäherung, die aus Respekt vor dem was zu sein scheint und nicht ausgesprochen wird, stet, aber nicht fordernd ist. 

"Sommergäste" ist ein zarter Roman über die Liebe, in der nicht wichtig ist, wen wir lieben, sondern nur wie wir miteinander umgehen.


Buchinfo:

Piper (2020)
368 Seiten
Hardcover 22,00 €


Rezensionen: © 2020, Nanni Eppner


1 Kommentar:

  1. Der Roman hört sich ja sehr interessant an. Agnes Krup ist mir bisher noch nie untergekommen, aber "Sommergäste" ist jetzt sofort auf meine Liste gewandert. Und es scheint ja auch tatsächlich ein passendes Buch für diese Jahreszeit zu sein.

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